— 535 —
— 224 — 2 2
Ausschreitungen zu äußern. In dies Kapitel gehört auch das Re-
sultat der Reichstagswahl vom Jan. 1877. In der ersten Wahl
am 10. Jan. erhielt August Bebel 6935 Stimmen, der Kandidat
der Nationalliberalen, Prof. Dr. Mayhoff, 4374 Stimmen, daneben
noch der konservative Kandidat 3965 und der des Fortschritts 2026
Stimmen. In der Stichwahl aber am 26. Jan. siegte Bebel
mit 10 834 Stimmen über Mayhoff, der es nur auf 9923 brachte.
Es war klar, daß dieser Sieg, was auch von der andern Seite
ruhig zugestanden wurde, nur dadurch möglich geworden war, daß
ein großer Teil der Konservativen und partikularistischen Fort-
schrittler Bebel zu diesem Mehr von fast 4000 Stimmen verholfen
hatten. Das Leipziger Witzblatt „Puck“ brachte damals ein wohl-
gelungenes Bild: August Bebel an Stelle Augusts des Starken
auf dem bekannten Dresdener Denkmal sitzend! Auf solche Vor-
kommnisse bezog sich Bismarcks Wort, das er resigniert am
10. März 1877 im Reichstage aussprach: „Die Macht der Stam-
meseinheit, der Strom des Partikularismus ist bei uns immer
sehr stark geblieben, er hat seit Eintritt der ruhigen Zeiten an
Stärke gewonnen. Ich kann sagen, die Reichsflut ist rücksteigend;
wir gehen einer Art Ebbe entgegen. Ich weiß nicht, ob ich es
tadeln soll, oder ob es ein gesunder, naturgemäßer Vorgang ist.
Es wird auch die Reichsflut wieder steigen.“
Diese Hoffnung des großen Kanzlers sollte sich bewahrheiten.
Welch mächtigen und tiefen Eindruck machten doch die beiden ver-
ruchten Attentate des Jahres 1878 auf den greisen Kaiser, Hödels
am 11. Mai und Nobilings am 2. Juni, auch in den sächsischen
Landen; in dem sorgenvollen und schmerzerfüllten Bangen um
das kostbare Leben des allgeliebten Herrschers wurde es auch den
Lauen und den dem Reiche ferner stehenden Elementen klar, welch
kostbares Gut man doch an der gewonnenen Einheit habe; dies
bewies sich auch bei den Reichstagswahlen desselben Jahres.
Und als vier Jahre später gelegentlich der vom 14.—20. Sept.
1882 in Sachsen abgehaltenen großen Kaisermanöver Kaiser Wil-
helm I. nach Dresden kam, gestaltete sich seine Ankunft zu einem
wahren Triumphzuge, der mit Recht als ein Sieg der Reichs-