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idee über partikularistische Velleitäten und darum als ein bedeut-
sames politisches Ereignis aufgefaßt wurde. Dieselbe Beobachtung
ließ sich bei der Reichstagswahl von 1887 machen, als es sich um
das sogen. Septennat handelte, und kaum anderswo im Reiche hat
die machtvolle Rede Bismarcks im Reichstage vom 6. Febr. 1887
eine begeistertere Aufnahme gefunden als in Sachsen. Auch der
Hintritt des großen Heldenkaisers am 9. März 1888 und der er—
schütternde Ausgang des edlen Dulders Friedrich III. am 15. Juni
einte die sächsischen Herzen in tiefstgefühlter Trauer mit den an—
deren Stämmen des Reichs, während andererseits die beiden ersten
Besuche Kaiser Wilhelms II. am 18. Juni 1889 gelegentlich der
Wettinfeier, und namentlich mit seiner Gemahlin vom 5.—10. Sept.
1889 in Dresden die freudigste Begeisterung wachriefen. Es ist
ferner daran zu erinnern, wie eifrig sich sächsische Konservative im
deutschen Reichstage an dem gesetzlichen Ausbau des Reiches be-
teiligten. In erster Linie ist hier der Dresdener Rechtsanwalt
Karl Gustav Ackermann, das langjährige Mitglied der zweiten
Kammer, deren Vorsitz er auch 1892—1900 führte, zu nennen,
der in den Jahren 1880—83 sogar 2. Vizepräsident des Reichs-
tags war und dort der Haupturheber des Befähigungsnachweises für
Handwerker (Gesetz vom 13. Dez. 1889) und des Befähigungs-
nachweises zum Betriebe eines Gewerbes überhaupt (Gesetz vom
20. Jan. 1890) wurde. Der hochverdiente Mann starb am 1. März
1901. In diesem Zusammenhange darf auch erwähnt werden, daß
für das bekannte Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen
der Sozialdemokratie vom 18. Okt. 1878 der Berichterstatter im
Reichstag der sächsische General-Staatsanwalt Dr. von Schwarze
war, der überhaupt in solchen Dingen den Reichskanzler beriet.
Wesentlich war ferner, daß in der sächsischen Fortschrittspartei
eine Mauserung eintrat infolge der im Sept. 1889 abgegebenen
Erklärung eines ihrer Führer, des Landtagsabgeordneten Ludwig
Starke, daß er und seine Gesinnungsgenossen wegen der negierenden
Haltung der inneren Politik Eugen Richters aus der deutsch-frei-
sinnigen Partei auszuscheiden beabsichtigten und dies auch weiteren
Kreisen empföhlen. Nicht ohne stille Mitwirkung des Königs Albert
näherten sich dann angesichts der zunehmenden sozialistischen Ein-