— 549 —
wurzeln in der unverbrüchlichen Treue und Liebe zum Vaterlande
und in der selbstlosen Hingebung bei der Pflege seiner Inter—
essen. Und wenn die Stände unserer Verfassung in diesem halben
Jahrhundert es verstanden haben, gleichzeitig als Vertreter der
mannigfaltigen Interessen des Volkes, wie als treue und zuver-
lässige Stützen bei der Erhaltung des Vaterlandes zu dienen,
wenn ferner die auf dem Inhalte unfrer Verfassung ruhende
halbhundertjährige Arbeit zur Förderung der Gerechtigkeit, zur
Hebung der Sittlichkeit des Volkes und zur Entwickelung seiner
geistigen und wirtschaftlichen Kräfte geführt hat, so darf man sagen,
daß die vor 50 Jahren gegründete Verfassung die Erwartungen
ihrer Einführung erfüllt und als ein Segen unseres Volkes sich
erwiesen hat. Es ist Mir ein landesväterliches Bedürfnis, diese
Anerkennung mit dankbarem Herzen heute öffentlich auszusprechen.
— Sowie aber in früheren Jahrhunderten unser Staat sich mit
dem Gesamtleben des deutschen Volkes verbunden gezeigt hat,
was die von hier ausgegangenen Einwirkungen auf allen Gebieten
des deutschen Kulturlebens sattsam bezeugen, so will auch unser
heutiger Staat seine Kraft und Gesundheit vor allem in dem Ge-
danken erhalten, daß er damit sich als ein wirksames und dem
Ganzen förderliches Glied des Deutschen Reiches erweist.“
Es schloß sich dann am 5. Sept. ein Festmahl der Stände
im Beisein des Königs auf der damals gerade in ihrer Restaura-
tion abgeschlossenen Albrechtsburg zu Meißen an. Zu diesem
sächsisch-nationalen Werke war von den Ständen selbst in Über-
einstimmung mit dem König ein Teil der französischen Kriegs-
entschädigung bestimmt worden, deren letzter Rest am 5. Sept.
1873 zur Auszahlung gelangt war. Welche prächtigen Räume
sind doch an der Stätte erstanden, an der einst Meister Arnold
aus Westfalen im Auftrage des Stammvaters unseres Königs-
hauses und seines Bruders zuerst den Grund zur Burg richtete,
die vordem schon König Heinrich I. als Landmarke gegen das
Slawentum auferbaut hatte! — —
Die Thronrede des Königs schloß unter tröstlichem Hinweis auf
die günstigere Finanzlage mit der Versicherung, daß der Staat
höchstwahrscheinklich recht bald auf den größeren Teil des Steuer-