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Fluren, die anderen Kulturpflanzen schwer zugänglich sind. Schon
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde im Erzgebirge Flachs-
bau in größerem Umfange betrieben. Damals kamen namentlich
böhmische Einkäufer in großer Anzahl, um Flachs zu erhandeln,
den sie in sogenannten Hucken auf dem Rücken nach Böhmen
transportierten; davon nannte man sie allgemein die Huckelträger.
Nachdem aber besonders durch das Eindringen englischer Baum—
wollenwaren und englischer Leinengarne die Leinen- und damit
auch die Flachspreise sehr gedrückt wurden, ging Ende der dreißiger
Jahre der Flachsbau so zurück, daß in vielen Gegenden überhaupt
kein Lein mehr ausgesät wurde. Da aber berief die Regierung
in Anerkennung der hohen Bedeutung des Flachsbaues für das
Gebirge 1844 einen belgischen Sachverständigen, da ja in Belgien
Flachsbau und Leinenindustrie seit Jahrhunderten heimisch sind,
und damit kam diese Kultur wieder zu neuer Entwickelung, die
dann freilich durch die Unruhen der Jahre 1848 und 1849 wieder
gestört wurde. Seit 1854 begann sich die Flachskultur unter Bei-
hilfe der Regierung wieder zu entfalten, besonders in der Gegend
von Annaberg bis nach Frauenstein und von da über Lichten-
berg bis nach Freiberg. Flachsspinnereien in Freiberg, Wiesen-
bad bei Annaberg, Hirschfelde und Hainitz bei Bautzen in
der Lausitz verspinnen den geernteten Flachs zu Leinengarnen.
Mit der Verwebung dieser Garne, der Leinweberei, ist
nun seit Jahrhunderten schon die südliche Lausitz beschäftigt;
namentlich im südöstlichen Teile von der Zittauer Gegend an
längs der böhmischen Grenze bis jenseits Schirgiswalde liegen
die stundenlangen Weberdörfer, wo vom Herrn bis zum Dienst-
boten, wo Kind und Greis, alles nur für Spinnen, Spulen, Bleichen,
Weben lebt. Und doch ist der Ertrag dieser angespannten Tätig-
keit so gering! Die Blüte der Lausitzer Leinenindustrie, als diese
vor etwa 100 Jahren große Massen ihrer Erzeugnisse ins Aus-
land, nach Amerika, Spanien, Italien versandte, ist ebenso wie
in Schlesien, durch die englische Maschinenindustrie und teilweise
auch durch die westfälische in und um Bielefeld geknickt worden.
Deswegen sind viele Leinwandweber zur Baumwollweberei überge-
gangen, und wenn auch die älteren Weber bei ihrem Handbetriebe