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Indem wir andere Industrien übergehen, blühte in Sachsen
im Anschluß an den Mineralreichtum die chemische Industrie
empor. Die großen Steinkohlenlager geben das Material für die
in allen Städten und auch in größeren Dörfern vorhandenen Gas-
anstalten. Die ersten Versuche, die bei der Steinkohlenverbrennung
sich schon deutlich zeigenden brennbaren Gase zu Beleuchtungs-
zwecken auszunutzen, machte, wenn auch im kleinen, im Jahre
1811 der Hüttenbeamte Lampadius in Freiberg. In Dresden
konstrnierte dann R. Blochmann 1820 die erste Gaslaterne; 1825
erhielt er die Erlaubnis zur probemäßigen Beleuchtung eines
Saales im königlichen Schlosse, die so glänzend ausfiel, daß ihm
die völlige Ausführung seines Projektes definitiv übertragen
wurde. Die öffentliche Straßenbeleuchtung durch Gas datiert aber
in Sachsen vom 28. April 1828, wo bei der Illumination zu Ehren
der Geburt des Prinzen Albert in der Residenzstadt zum ersten
Male Gasflammen brannten. Die sämtlichen sächsischen Gas-
anstalten, soweit sie bis 1902 eingerichtet wurden, sind also wäh-
rend der Lebenszeit König Alberts entstanden. In Leipzig währte
die Olbeleuchtung noch bis 4. Sept. 1838, an welchem Tage die
vor dem Halleschen Tore errichtete Gasanstalt die Gasversorgung
der Stadt begann. Der Gasverbrauch wuchs nun stetig, nament-
lich da Gas außer zu Beleuchtungs= auch zu Küchen= und Heizungs-
zwecken und zur Betreibung kleinerer Motoren verwandt wurde.
In Leipzig wurden beispielsweise 1838 von 4. Sept. ab 24000 chm
Gas, 1840: 308000 chm, 1870: 4890000 und 1901:
25116900 chm abgegeben, und die Gesamtlänge des städtischen
Gasrohrnetzes betrug im gleichen Jahre 365.521 m, eine Strecke,
die beinahe der Entfernung von Leipzig nach Frankfurt a. M.
entspricht. — Bekanntlich bleibt als Residuum bei der Gas-
erzeugung der Steinkohlenteer, den man früher als ziemlich wert-
los ansah, bis die Chemie in ihm eine Fülle von wertvollen
Stoffen entdeckte, außer Benzol, Naphthalin, Anthrazen, Karbol-
säure, wie sie die Teerproduktenfabrik zu Niederau bei Meißen
herstellt und teils zur Fabrikation von Anilin und Alizarin be-
nutzt, auch die Stoffe zu allerhand Wohlgerüchen, die allent-
halben in den Parfümfabriken zur Erzeugung gelangen. Da-