Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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schiede des neuen Verfahrens gegenüber dem alten einzugehen. 
Zunächst machte es sich ja nur im Strafverfahren und im Zivil— 
prozeß bemerklich. Im ersteren sah man sowohl von seiten der 
Laien als der Fachleute ungern die großen Schöffengerichte 
schwinden, welche aus drei juristisch gebildeten Richtern und vier 
Schöffen bestanden und zur Entscheidung über die Sachen mittlerer 
Schwere berufen waren. An ihre Stelle ist im Strafverfahren ein 
Gerichtshof von fünf Juristen ohne Mitwirkung des Laienelementes 
gesetzt worden, das nun nur noch bei den leichteren Sachen durch zwei 
Schöffen und bei den schwersten durch die Geschworenen vertreten ist. 
Die Frage, ob nicht größere Schöffengerichte, bei denen Laien und 
gelehrte Richter gemeinsam die Schuldfrage zu entscheiden haben, 
die in vielen Fällen angefochtene Tätigkeit der Schwurgerichte 
ablösen könnten, ist vielsach im bejahenden Sinne erörtert worden. 
Doch dürfte eine derartige Anderung noch in weiter Ferne stehen. 
Denn noch am 29. Juni 190é6 erklärte Justizminister v. Otto in 
der zweiten Kammer, daß die verbündeten Regierungen sich dar- 
über geeinigt hätten, das Schwurgericht in seiner bisherigen Kom- 
petenz fortbestehen zu lassen. — Dagegen ist allgemein anerkannt 
worden, daß die Einführung der Reichsjustizgesetze für das Zivil- 
prozeß.- und Konkursverfahren durch Ermöglichung einer größeren 
Schnelligkeit einen ganz erheblichen Fortschritt bedeute; freilich 
wird mit Recht über die hohen Kosten geklagt. 
Durch mancherlei Gesetze wurden Richter, Anwälte und Notare 
teils in ihren Funktionen näher bestimmt, teils für ihr amt- 
liches Verhalten unter eine Standesaussicht gestellt. Für die 
Richter wurden Disziplinargerichte durch Landesgesetz vom 
20. März 1880 eingeführt. Die Disziplinarkammern bestehen bei 
den Landgerichten aus dem Präsidenten und zwei Richtern aus 
der Zahl der Mitglieder des Landgerichtes und der Amtsrichter. 
Bei dem Oberlandesgericht versieht dieselbe Funktion ein Disszi- 
plinarsenat, der vom Präsidenten und zwei anderen Mitgliedern 
dieses Gerichtes gebildet wird. Außerdem hat das genannte Gesetz 
noch als Oberinstanz den Disziplinarhof geschaffen, der sich aus 
dem Präsidenten und den Senatspräsidenten des Oberlandes- 
gerichts und drei Landgerichtspräsidenten zusammensetzt. Die 
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 13
	        
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