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Großvater Karl August, dem Freunde und Förderer unserer klassi—
schen Literatur, geschaffene Tradition aufrechtzuerhalten, und
Weimar war auch unter ihm eine Stätte der Kunst und Wissen-
schaft geblieben. Politisch hatte zwar der Krieg des Jahres 1866,
der die Ernestiner mit Ausnahme des Meiningers Bernhard Erich
Freund, auf Seite Preußens geführt hatte, das Verhältnis zur
albertinischen Linie etwas getrübt, aber die Neugestaltung der
ganzen deutschen Verhältnisse hatte das alles vergessen lassen und
das alte herzliche Einvernehmen wieder hergestellt, wie es sich
namentlich bei diesem Feste zeigte. Leider wurde die Festfreude
dadurch etwas gemindert, daß Kaiser Wilhelm nicht erscheinen
konnte; stand er ja noch unter der Wirkung des Nobilingschen
Attentate5 vom 2. Juni. Am 3. Aug. besuchte das Königspaar
den greisen Herrn in Teplitz, der dort die Bäder mit gutem Erfolg
benutzte. Infolgedessen ließ er es sich dann, obwohl er noch vor
kurzem den verletzten Arm hatte in der Binde tragen müssen, nicht
nehmen, soweit es möglich war, den Manövern bei Kassel in der
zweiten Hälfte des September beizuwohnen. Mit um so unge-
teilterer Freude konnte dann am 11. Juni 1879 im Beisein auch
des sächsischen Königspaares die goldene Hochzeit des Kaisers
und der Kaiserin gefeiert werden. Der Sächsische Militärvereins-
bund begründete bei dieser Gelegenheit eine Wilhelm-Augusta-
Stiftung. Eine andere Festlichkeit von nationaler Bedeutung war
die Einweihung des Kölner Doms am 15. Okt. 1880. Nachdem
schon am 14. Aug. die zweite Kreuzesblume aufgesetzt worden war,
erschienen am 15. Okt. mit dem Kaiser und dem keaiserlichen
Hause eine große Anzahl deutscher Fürsten, unter ihnen König
Albert. Bekanntlich hatte das ganze deutsche Volk, nicht nur der
katholische Teil, seit Jahrzehnten zur Vollendung des herrlichen
Baues beigesteuert. Um so bedauerlicher war es, daß die Kleri-
kalen der Rheinlande sich von der Einweihung fern hielten. Einen
um so größeren innerpolitischen Wert hatte deshalb die Teil-
nahme König Alberts an der Feier, die gerade durch die „würdige
Zurückhaltung"“ der ultramonanen Partei an nationaler Bedeutung
nur gewinnen konnte. Indem Kaiser Wilhelm auf die An-
sprache des Weihbischofs Dr. Baudry u. a. antwortete: „Seien