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aus dem verlängerten Studienaufenthalte nichts, ebensowenig aus
dem in diesen Worten angedeuteten fremdländischen Dienst.
Aber noch ein Anderes, Wichtigeres stand dem neuen Könige
für die Gestaltung eines ähnlichen Verhältnisses zu seinem Volke,
wie der Bruder es genossen hatte, im Wege: man hielt ihn für
bigott katholisch und fürchtete das Eindringen jesuitischer Propa-
ganda, namentlich infolge der Art, in der sich Prinz Max seit
seiner Priesterweihe gegeben hatte. Es war eine ganz ähnliche
Stimmung, wie sie König Johann bei seiner Thronbesteigung
gegen sich gehabt hatte; aber sie war, wie noch weiterhin zu zeigen
ist, unberechtigt. Allerdings, wie auf den Vater die mystische Ge-
dankenwelt Dantes mächtig eingewirkt hatte und er in Thomas
von Aquino den größten Kirchenlehrer des Mittelalters bewunderte,
so übte auch auf den ähnlich gearteten jüngeren Sohn die mittel-
alterliche Mystik der Kirche einen erheblich größeren und be-
stimmenderen Einfluß aus, als auf den älteren Bruder. Zweifellos
war Georg als Prinz wie als König ein von den Lehren seiner
Kirche unwandelbar überzeugter Katholik. Aber er hatte nach dem
Willen und unter dem Einflusse des Vaters durch seinen Lehrer
von Langenn nicht allein eine äußere Achtung vor dem vorwiegen-
den Bekenntnisse seines sächsischen Volkes aus Opportunitäts-
gründen sich angeeignet, sondern er bekannte sich zu denselben
Grundsätzen wie der Bruder und legte die Unterweisung seines
ältesten Sohnes, Friedrich August, wie auch die der anderen Söhne
und späterhin seiner Enkel zum Teil in die Hände protestantischer
Erzieher.
Was nützte das alles aber, wenn einmal das Vorurteil der
öffentlichen Meinung sich gegen den neuen König richtete? Heute
hat das sächsische Volk ja anders über seinen nunmehr auch heim-
gegangenen Herrscher urteilen gelernt und es wäre schlimm, wenn
dem nicht so wäre. Aber wie stand es im Jahre 19022 Zunächst
gab es viele, auch wohlmeinende Leute, die die Frage aufwarfen:
Warum belädt er sich bei seinen hohen Jahren noch mit solcher
Last, die er füglich jüngeren Schultern überlassen könnte? Dabei
überlegte man zwei wichtige Momente nicht, ein persönliches und
ein sachliches. Wenn Prinz Georg die Krone ausschlug und diese