Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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barkeit zuschreibt. Die katholische Kirche kann eine Ehe wohl für 
nichtig erklären, wenn formelle oder sachliche Gründe sie schon 
beim Abschluß als keine vollkommene Ehe erscheinen lassen, aber 
nicht im Sinne der protestantischen Kirche scheiden; dagegen ge- 
stattet sie die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, verbietet 
aber die Wiederverheiratung sowohl des schuldigen als des nicht- 
schuldigen Teiles. Die Ungültigkeits= oder Nichtigkeitserklärung 
einer Ehe hat natürlich für die während derselben geborenen 
Kinder kirchlich genommen die Konsequenz der Illegitimität. 
Als Gerichtshof für den vorliegenden Fall setzte König Georg 
durch Verordnung vom 30. Dez. 1902 den Präsidenten und sechs 
Richter des Oberlandesgerichtes nieder. Die Verkündung des Ur- 
teils fand am 11. Febr. 1903 nachmitags 4 Uhr 20 Minuten statt 
und lautete, selbstverständlich im Sinne des § 1575, dahin, daß 
die Ehe wegen Ehebruchs der Frau Beklagten, begangen mit dem 
Sprachlehrer André Giron, dem Bande nach getrennt sei. Am 
15. Juli 1903 gestattete eine Verordnung des Königs der Prin- 
zessin, die schon durch Verordnung vom 14. Jan. 1903 als aus 
dem Königlichen Hause ausgeschieden erklärt worden war, den 
Titel einer Gräfin Montignoso zu führen. Zur Charakterisierung 
aber der nunmehr geschaffenen Situation dienen die §§ 1586 und 
1588 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren ersterer besagt: „Wird 
nach § 1575 die eheliche Gemeinschaft aufgehoben, so treten die 
mit der Scheidung verbundenen Wirkungen ein; die Eingehung 
einer neuen Ehe ist jedoch ausgeschlossen“, und letzterer: „Die 
kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die 
Vorschriften dieses Abschnitts (nämlich des Titels 7 über Schei- 
dung der Ehe) nicht berührt.“ Nun heiratete aber die Gräfin 
Montignoso am 25. September 1907 den 23 jährigen Pianisten 
Enrico Toselli durch standesamtliche Trauung in London, weil 
das englische Gesetz nicht auf demselben Boden steht, wie die 88 1575 
u. 1586; selbstverständlich war diese zweite Ehe auf deutschem 
Boden nicht rechtsgültig, und noch weniger nach kanonischem 
Rechte, und man wäre wohl berechtigt, sie direkt als Bigamie zu 
bezeichnen. Trotzdem entschied sich König Friedrich August in einer 
unter seinem Vorsitz am 27. Sept. 1907 abgehaltenen Sitzung sämt-
	        
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