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gewählten Abgeordneten dieser Richtung in 22 Wahlkreisen des
Königreichs Sachsen gewählt worden. Nur der 23. Wahlkreis
Bischofswerda-Bautzen blieb in den Händen des Reformparteilers
Heinrich Gräfe, Bischofswerda. Die Wahlstatistik ergab, daß im
ganzen Reiche die sozialdemokratischen Stimmen 1898 2107076
betragen hatten, 1903 aber 3010 771. In Sachsen besonders war
die Zahl der sozialdemokratischen Wähler von 299000 im Jahre
1898 auf 4430000 gestiegen, ein Zuwachs von 48 Proz. Auf dem
Anfang Juli zu Pirna abgehaltenen sächsischen Gemeindetag kam
der Minister des Inneren v. Metzsch auf diesen Ausfall der Reichs-
tagswahlen und die daraus sich ergebenden Lehren zu sprechen.
Zersetzende Agitation und ein Zustand chronischer Unzufriedenheit
seien die Ursachen jenes Resultates, und es sei Pflicht und Ge-
wissenssache aller öffentlichen Gewalten in Staat und Gemeinde
mitzuhelfen, daß die Zustände wieder auf eine bessere Basis zurück-
geführt würden. „Wir wollen dort,“ so sagte der Minister am
Schlusse seiner Rede, „wo wir anerkennen, daß verbesserungsfähige
Zustände vorhanden sind, einsetzen. Wir wollen, wo wir erkennen,
wir haben Fehler gemacht — und auch die Regierung hält sich nicht
für infallibel — einsetzen. Wir wollen Besseres schaffen, unserem
Volke die guten Fundamente erhalten. Wir wollen dafür sorgen,
daß das große Sammelbecken der Unzufriedenheit, wenn auch nicht
ganz, so doch etwas entleert wird und nicht noch einmal überflutet.“
Da der Minister auch von der Verpflichtung der öffentlichen
Gewalten in die wirtschaftlichen Fragen einzugreifen in dieser
Rede gesprochen hatte, so konnte man auf die kommenden Taten
gespannt sein. Es kam jedoch zunächst weiter nichts, als eine Be-
kanntmachung im „Dresdener Journal“ über die Absicht der
Regierung, das Landtagswahlrecht zu reformieren und hierüber
eine Abgeordnetenkonferenz zu berufen, „damit sie in der Lage
sei, wenn wir an diese schwierige Frage herantreten, von allen be-
teiligten Seiten, auf deren Urteil sie einen besonderen Wert lege,
auch die nötigen Unterstützungen und Ratschläge zu finden, wie sie
das schon im letzten Landtage durch den Mund des Ministers aus-
gesprochen habe.“ Von dem Schicksale jenes Regierungsentwurfes,
zu dessen Beratung am 26. Okt. 14. Kammermitglieder berufen