Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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Alle diese Städte sind mit Richtschnur und Zollstock gegründet. 
Städte mit naturgemäßer Selbstentwickelung wurden durch die Be- 
dürfnisse von Sicherheit und Verkehr, diese durch die Massenansiedelung 
hervorgerufen. Erstere wuchsen mit krummen Gassen, dicht gedrängten 
Bewohnern und regem Leben um den Kern, war er eine Burg, eine 
Kirche oder ein Markt; letztere hatten keine eigene Lebenskraft, und 
sobald die Veranlassung ihrer Gründung hinfällig wurde, siechten sie 
langsam dahin. 
Seit dem 30jährigen Kriege sank die errungene Selbständigkeit 
der Städte immer mehr. Die unabhängige Verfassung, die mannig- 
fachen Privilegien, die Befreiung von Diensten, Abgaben und Lasten, 
alle Vorrechte, welche sich dieselben nach und nach angemaßt, oder zu 
erwerben gewußt hatten, wurden durch die wachsende Macht des 
Landesherrn immer mehr eingeschränkt. Das Bürgerthum hatte unter 
dem einengenden Zunftzwange die frühere Spannkraft verloren, und 
die tiefen, materiellen Schäden, welche die lange Reihe von Kriegen 
und Drangsalen über die Städte des Gebirges, wie über das ganze 
Land gebracht hatte, konnte nur erst allmälig, in einer neuen Zeit 
und unter veränderten Verhältnissen wieder ausgeglichen werden. 
Die 1832 eingeführte Städteordnung, welche den Unter- 
gang der Herrschaft der wenigen bevorzugten Patrizierfamilien in 
dem Stadtregimente mit sich brachte, gleichzeitig aber auch die 
Organisation der Verwaltung, die Regelung der Steuer-, Abgaben= und 
Finanzverhältnisse, die Neuordnung und Hebung des Schulwesens, 
und die Neugestaltung aller Verwaltungszweige, endlich das Gesetz 
über Gewerbe= und Personalsteuer, sowie das neue Gewerbegesetz, 
vor Allem aber der Anschluß an den Deutschen Zollverein brachten 
einen bis dahin nie geahnten Ausschwung in das ganze Leben der 
erzgebirgischen Städte. 
Die Gestalt der Grundfläche einer Stadt richtet sich ganz nach 
den Verhältnissen des Bodens, auf dem sie erbaut wurde, bez. auf 
dem eine Ansiedelung unter dem Schutze einer Burg bis zur Größe 
einer Stadt heranwuchs. 
In der Ebene, mag es nun eine breite Thalebene, mag es eine 
offene Hochebene sein, wo nach keiner Richtung hin die Niederlassung 
beengt wurde, ist die Kreisform, oder wenigstens die Ovalform der 
Städte die vorwiegende, die letztere in der Regel deshalb, weil durch 
sie die Richtung der Hauptverkehrsader bezeichnet wird. 
Im durchschnittenen Gelände, wo das Terrain z. B. durch 
Nebenthäler, welche an ein Hauptthal einmünden, in ganz bestimmte 
Abschnitte getrennt wird, nimmt der Grundriß der daselbst erbauten 
Städte in der Regel die Gestalt eines Dreieckes oder verschobenen,
	        
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