Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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seinem musikalischen Gefühle freien Lauf. Da hört man in den 
Feierstunden, und auch nicht selten bei der Arbeit frischen Gesang. 
Nächstdem vielleicht auch das Spiel eines Instrumentes, von der 
Mund= und Ziehharmonika an durch den ganzen Kreis der Blas- 
und Streichinstrumente hindurch. 
In allen Volksschichten besteht die Neigung, alles Musikalische 
festzuhalten, was irgend anheimelnd und leicht singbar ist, und dasselbe 
auf irgend eine Weise von sich zu geben: durch Singen, Trällern, 
Pfeifen u. s. w. 
Der Gesang und das gute Volkslied sind herrliche Bildungs- 
und Erholungsmittel. Der Gesang veredelt die Anschauungen und 
das Leben. Das Volkslied gehört Allen gemeinsam an und wirkt 
auf Alle in gleicher Weise. Hier handelt es sich hauptsächlich darum, 
Ungeeignetes bei Seite zu drängen, und Frisches und Gesundes all- 
gemein werden zu lassen; den Geschmack zu läutern. Das ist die 
Aufgabe selbst der einfachsten und ursprünglichsten Gesangvereine. 
Mit der Vorliebe für Musik ist die Neigung zum Tanz enge 
verbunden. „Den Tanz liebt man im Gebirge bis zur Leidenschaft, 
tanzt aber selten etwas anderes als die deutschen Tänze und das 
Schottische.“ (Mosch S. 69.) In früheren Zeiten tanzte man Reihen= 
tänze und Rundtänze. Von den Reihen= oder Figurentänzen hat sich 
„Der Vogelsteller“ wohl bis in die neueste Zeit im Westen des Ge- 
birges erhalten, eine Zusammensetzung von Figurentanz und Rundtanz. 
Der Bursche lockt das Mädchen bei Gegenübertanz durch Vor= und 
Zurück-, Rechts= und Linkstanzen, Winken mit dem Finger u. s. w., 
bis sie sich nach einer Anzahl von Takten vereinigen und einen kurzen 
Rundtanz ausführen. 
Unter den Rundtänzen ist der Dreher oder Zweitritt unzweifel- 
haft der älteste. Seine Bewegung besteht aus zwei Tempos, während 
die Walzerbewegung aus drei Tempos zusammengesetzt ist und ursprüng- 
lich in langsamem Takte ausgeführt wurde. Der Rutzscher hatte zwei, 
der Schottisch drei Taktbewegungen. Jetzt werden die Rundtänze 
meist in sehr schnellem Tempo, aber ohne Aufmerksamkeit auf die 
Fußstellung ausgeführt. 
Außer dem Tanzvergnügen finden zahlreiche Vereinigungen von 
Hausgenossen und Nachbarn statt; früher als Spinn= und Klöppel- 
stuben, gegenwärtig als Näh= und Stickstuben; Vereinigungen zu 
gemeinschaftlicher Arbeit und Unterhaltung. Alt und jung sitzt bei- 
sammen, fleißig und flink mit der Hand und mit dem Mundwerk. 
Da wird dann von allen Möglichen und Unmöglichen erzählt, die 
unglaublichsten Geschichten unter dem Siegel der Verschwiegenheit 
geflüstert, (ganz wie anderwärts auch) und je unheimlicher und
	        
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