Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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Die herangebildeten Lehrerinnen sollen Erwachsene und Kinder 
unterweisen, nicht blos sorgfältiger und besser zu flechten als bisher, 
sondern ihnen auch Uebung im Schnellflechten verschaffen, worin man 
z. B. in der Schweiz so große Uebung hat. Sie sollten aber auch 
darauf sehen, daß nur besseres Stroh zum Flechten verwendet und 
daß auch die Fertigung anderer Artikel gelernt würde, als vorwiegend 
Geflechte, so z. B. Untersetzer, Körbe, Badeschuhe, Pantoffeln, Stuhl- 
sitze, Taschen, Markt= und Luxuskörbchen u. s. w. Endlich sollte 
vermittelst der Flechtschulen darauf hingewirkt werden, daß die Land- 
wirthe sich bestrebten, besseres Flechtstroh zu gewinnen, indem sie die 
Art der Aussaat, die Zeit des Schnittes und die Behandlung des 
Strohes nach dem Schnitte nach den Bedürfnissen der Strohflechterei 
regelten. (Vergl. die Berichte der Handels= und Gewerbekammer 
Dresden 1868 bis 1887.) 
Das beste Material ist Weizenstroh; namentlich aus dem An- 
lande des Müglitz= und Lockwitzthales, aus dem Saazer und Leit- 
meritzer Kreise. 
Seine Beschaffung macht oft große Schwierigkeiten; die Ein- 
bringung desselben verlangt außergewöhnliche Sorfalt. Namentlich 
muß es vor Nässe geschützt werden. Selbst der Thau macht es 
fleckig. Ein nasser Sommer liefert daher nur schlechtes Rohmaterial. 
Das Weizenstroh hat einen hohen Grad von Festigkeit, Zähigkeit 
und Biegsamkeit; dabei eine gleichmäßige gelbe Farbe. 
Man sät bärtigen Sommerweizen sechsmal so dicht wie beim 
Körnerbau, damit die Halme recht fein werden. Die Halme werden 
vor der Reife, wenn die Aehren erst halb ausgebildet sind, mit der 
Wurzel gezogen und vor Nässe bewahrt. Das Stück von der Aehre 
abwärts bis zum ersten Knoten ist das beste. Die Halme werden 
in zwölf Feinheitsnummern und nach der Länge sortirt. Die feineren 
Sorten heißen „Schaum“, die gröberen „Rohr“. Stärkeres Stroh 
wird vermittelst des Strohspalters in Streifen von 1 bis 4 mm 
gerissen. 
Zum Flechten nimmt man 3 bis 14 Halmstreifen. Die starken 
Geflechte Ganzhalm zum Färben, melirte Geflechte)g sind 
zum großen Theile durch die schwarzwälder und chinesischen Geflechte 
verdrängt. Den größten Theil der Strohgeflechte bildet „Zacken- 
geflecht“. Der alte sächsische „Siebenhalm“ ist nicht mehr so 
gesucht, für den Arbeiter mühsamer und auch weniger lohnend; da- 
gegen hat in den letzten Jahren das feine „Doppelhalm“"= und 
das gespaltene weiße Siebenhalmgeflecht wieder an Absatz 
gewonnen. Die Namen der Geflechte sind so verschieden als die 
Arten derselben. Das sieben= und elfhalmige, welches eigentlich über- 
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