Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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Buchführung ertheilen. Jede der drei Fachschulen besteht aus einer 
Vorschule und einer Fachschule; die zu Grünhainichen zählte im letzten 
Jahre 170, die zu Olbernhau 90, die zu Seiffen 50 Schüler. 
Der Besuch der verschiedenen größeren und kleineren Werkstätten 
ist außerordentlich interessant. 
Die Dreher, Schnitzer, Papiermache- und Blecharbeiter, die 
Maler-, Papp-, Stroh= und Federarbeiter, die Tischler und Kasten- 
macher mit ihren verschiedenen Vorarbeitern und Zuarbeitern, Ge- 
hilfen, Lehrlingen und den zahlreichen Kinderhänden, welche zu tau- 
senderlei Hülfsarbeit eingreifen, geben an jedem einzelnen Arbeitsplatze 
wie in ihrer Gesammtheit ein treffliches Bild von Fleiß, Ausdauer, 
Kraft und Zusammenwirken. 
Der größte, wo nicht der wichtigste Theil bei der Fabrikation 
der Massenartikel fällt dem Dreher zu. Nachdem das Holz vor- 
gerichtet, geschält und getrocknet ist, wird es zerkleinert, theils ab- 
gedreht, theils mit der Kreissäge zerschnitten und nun zur richtigen 
Form gedrechselt. Für verschiedene Artikel werden die Hölzer in 
naturfeuchtem Zustande verarbeitet. Einzelne Gegenstände werden auf 
der Drehbank marktfertig; andere kommen erst in die Hände der 
Schnitzer und Maler. Besonders gilt dies von den „Reifen“, welchen 
die Spielwaarenindustrie ihre staunenswerthe Billigkeit und Massen- 
production verdankt. Diese Reifen werden nach einer bestimmten 
Schablone gedreht und dann radial in eine Anzahl (50, 60, 70) Theile 
zerlegt, von denen ein jeder, wenn auch nur in Umrissen, eine be- 
stimmte Thiergestalt hat. Der Schnitzer und der Maler machen das 
Thier fertig, indem sie die Beine ausschneiden, Ohren, Hörner, Schwänze 
ansetzen und Farbe geben. Häufig besteht das Malen nur darin, daß 
man das Thier in flüssige Farbe taucht und trocknen läßt, nachher 
ein Paar schwarze Punkte als Augen aufsetzt. Zuweilen gehen die 
Stücke in halbfertigem Zustande noch in dritte und vierte Hand über. 
Die Drehstellen (Spindeln) werden entweder durch Menschen-, 
Wasser-- oder Dampfkraft getrieben. Fast in jedem Hause steht eine 
Drehspindel mit Fußbetrieb. Die mit Wasserkraft getriebenen Dreh- 
werke sind von verschiedenem Umfange; im Durchschnitt 15 Spindeln. 
Die Drehstellen werden verpachtet; bei knappem Wasser nach halben 
und viertel Tagen, ja selbst nach Stunden. Das 1867 in Betrieb 
gesetzte Seiffener Dampfdrehwerk hat 150 Drehstellen, von denen bis 
zu 120 verpachtet wurden. Ein Reifendreher zahlt bei täglich zwölf- 
stündiger Arbeit für eine Drehstelle im Dampfdrehwerk 100 bis 
120 Mark Pacht; ein gewöhnlicher Dreher 36 bis 40 Mark. Auf 
den Wasserwerken wird nur die Hälfte dieses Preises bezahlt. 
Der Hausindustrie tritt in neuerer Zeit die Vereinigung zahl-
	        
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