Erscheinungen in der Litteratur. 91
wurde, die sich im Besitz der Ministerien ohne Störung der
Geschäfte ablösten. Außer aller Beachtung blieb die für die
Beurtheilung eines demokratischen Staatswesens entscheidende
Thatsache, daß die Festigkeit der nordamerikanischen Regierung
ganz und gar auf der wesentlichen Unabhängigkeit ihres Prä-
sidenten von dem Parlamente beruht. Auch über das schöne
Bild der demokratischen Gleichheit waren die Vorstellungen
wenig entwickelt. Nur Wenige machten es sich deutlich, daß
die Forderung gleiches Rechtes edel und sittlich ist, wenn sie
gleichen Rechtsschutz und gleiche Rechtsfähigkeit oder mit
einem Worte Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet, daß sie aber
in ihr Gegentheil umschlägt, sobald sie zum Begehren gleiches
Genusses und gleicher Macht ohne Rücksicht auf die Leistungs-
fähigkeit des Einzelnen sich steigert und damit die schiefe
Ebene zur communistischen Gewalt betritt. Ganz thöricht
zeigte sich jetzt übrigens die Meinung, daß die Censur der
Zeitungen und kleinern Druckschriften der Verbreitung solcher
Gedanken Einhalt thun könnte. Die Tirailleure waren ab-
gefangen, die Wirkung der schweren Geschütze dauerte fort.
Die censurfreien Bücher über zwanzig Bogen gingen von
Hand zu Hand; wer politische Belehrung suchte, fand bei
jeder Frage die Antwort in Rotteck's und Welcker's Staats-
lexikon nach dem allein seligmachenden Maaße der französi-
schen Theorien, und das ganze freisinnige Publikum lernte aus
Schlosser's Geschichte des 18. Jahrhunderts, daß die Wirk-
samkeit der Fürsten, Staatsmänner und Diplomaten in Folge
ihres Berufes eine ganz unmoralische und der Verachtung
des rechtschaffenen Bürgers würdige sei. Und nicht minder
erwies sich bei diesen Stimmungen die Hoffnung als trügerisch,
durch die Verbesserung der ökonomischen Lage die politische