Persönlichkeit des Königs. 99
des militärischen Sinnes; zwar liebte er es, zu betonen, daß
er durch und durch Offizier, daß er preußischer Offizier sei;
aber schon seine körperliche Erscheinung — er war früh
corpulent, bartlos, kurzsichtig, etwas schwankendes Ganges —
wollte dazu wenig passen, und seine Generale klagten, wie
rasch und oberflächlich er bei Revuen und Paraden ohne
rechte Liebe zur Sache sein kriegsherrliches Geschäft erledigte.
Auch sonst machte er sich mit ritterlichem Sport wenig zu
schaffen; ein alter Reiteroberst meinte: er hat zu viel Nerven,
zu wenig Muskel. Dagegen ging das Herz ihm auf, wenn
er mit Meisterhand Zeichnungen reizender Landschaften im-
provisirte, Risse romantischer Bauwerke zu Papier brachte,
oder den contrapunktischen Figuren alter Kirchenmusik lauschte.
Dann war er von hinreißender Liebenswürdigkeit, und fesselte
die bedeutendsten Geister der Epoche unwiderstehlich an sich.
Peter Cornelius hat oft erklärt, nur mit Thränen dankbarer
Rührung könne er von diesem Könige reden. Rauch war
stets erstaunt, mit welcher Sicherheit und Feinheit trotz seiner
Kurzsichtigkeit der König die Conturen eines plastischen Kunst-
werkes beurtheile; niemals sei ihm etwas Ahnliches vorge-
kommen. Leopold Ranke sagte inmitten eines Kreises berühmter
Gelehrter dem Könige Max von Bayern: er ist mein Meister,
er ist Ihr Meister, er ist unser Aller Meister. Alexander
von Humboldt, dessen böse Zunge gelegentlich auch den König
nicht verschonte, fand den Tag doch lückenhaft, an dem er
die Gegenwart desselben nicht genossen hatte. Vollends die
Vertrauten des Königs bei seinen politischen und kirchlichen
Entwürfen, die Gerlach, Bunsen, Radowitz, haben bis an
ihr Lebensende unter der Herrschaft seiner bezaubernden Per-
sönlichkeit gestanden. In einem solchen Verkehr erschien dic
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