Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

100 Jugendeindrücke. 
Fülle seiner Phantasie und der Strom seiner Gedanken un- 
erschöpflich; er war ein Meister der Rede in Ernst und 
Scherz, in Pathos und Laune, und fand stets ein treffendes. 
oder auch ein blendendes Wort für jede seiner politischen, 
ästhetischen und religiösen Reflexionen. Verwunderlich däuchte 
Vielen die Leichtigkeit, mit der er aus dieser höchsten Sphäre- 
idealer Begeisterung mit plötzlichem Stimmungswechsel als. 
echtes Berliner Kind in die Region des landesüblichen Wort- 
witzes hinabsprang und dann auch hier ein fruchtbares Talent 
entwickelte. Die Flexibilität seiner jedem Eindrucke offen 
stehenden Natur war eben grenzenlos. 
Aber in wie bunten Farben auch die Außenseite dieser 
eigenthümlichen Persönlichkeit schillerte, ihr innerer Kern war 
seit den ersten Mannesjahren unter dem Einfluß der damaligen 
Erlebnisse fest und unabänderlich herausgearbeitet. Als Knabe 
vor dem Kriegsfürsten der französischen Revolution bis in 
den letzten Erdenwinkel des Staates geflüchtet, hatte er den 
Abscheu gegen die Revolution und die Abneigung gegen 
Frankreich für das Leben eingesogen. Wie so viele seiner 
Zeitgenossen hatte er auch in dem Elend der Gegenwart den 
Blick auf eine schönere Vergangenheit zurückgelenkt, auf die 
gewaltigen Kaiser, die ehrwürdigen Prälaten, die ritterlichen. 
Fürsten und Herren, vor deren Heldenthum einst halb Europa 
gezittert hatte. Als dann 1813 das Waffenbündniß zwischen 
Osterreich und Preußen die deutschen Heere zum Siege und. 
alle deutschen Regierungen zum neuen Bunde führte, da reifte 
bei ihm der Entschluß, Osterreichs Bruderhand für immer 
festzuhalten, und unter allen Umständen treu und uneigen- 
nützig das Seine zu thun, um des heiligen Reiches Glanz 
und Hoheit zu erneuern. Unbedenklich dürfen wir annehmen,
	        
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