Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

Gegensatz zu den modernen Anschauungen. 103 
und fort trug er den Gedanken in der Seele, die bischöfliche 
Würde auch in der evangelischen Kirche, nicht bloß als Ehren- 
titel, sondern mit voller Amtsgewalt wieder herzustellen, 
dann sich jeder positiven Einwirkung auf das Kirchenregiment 
zu enthalten, um so kräftiger aber als Schirmvogt der Kirchen 
sie vor jedem Angriffe durch ketzerische oder antichristliche 
Elemente zu schützen. 
Alles zusammengenommen, wird man seinen Standpunkt 
dahin bezeichnen können, daß er an der von Gott verordneten 
königlichen Unumschränktheit in dem Kreise der Staatsver- 
waltung unbedingt festhielt, allerdings aber eben diesen Kreis 
erheblich enger zu ziehen entschlossen war, zu Gunsten unab- 
hängiger Kirchenbehörden, adlicher Localgewalten, persönlicher 
Rechte der Bürger. Die einförmige, überall sich eindrängende, 
straff centralisirte Bureaukratie war ihm gründlich zuwider, 
als eine todte, nur auf formales Recht gegründete Schablone, 
bei welcher jede reiche Mannigfaltigkeit und selbst jede frucht- 
bare persönliche Einwirkung des Herrschers unmöglich werde. 
Mit diesen Gesinnungen trat er in eine Zeit hinaus, in 
welcher eine gewaltige Mehrheit der Bevölkerung ungeduldig 
eine volle Theilnahme an dem öffentlichen Wesen verlangte, 
die stimmführende Litteratur sich skeptisch und kritisch gegen 
jede überlieferte Autorität in Staat und Kirche verhielt, und 
wohl zu Gunsten allgemeiner Freiheitsrechte, sicher aber nicht 
zur Pflege aristokratischer und hierarchischer Privilegien die 
Staatsallmacht beschränkt wünschte. Dem Allem stand der 
König gegenüber wie der Sohn einer vergangenen Zeit, der 
Bürger einer andern Welt, der Redner einer fremden Sprache. 
Es fiel dies um so schwerer im das Gewicht, als Friedrich 
Wilhelm nach seinem individuellen und königlichen Selbst-
	        
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