Jährliche Zusammenkünfte deutscher Notabeln. 111
führen können; um so gewisser war es verkehrt, die inhalt-
lose Bewegung nicht ruhig verlaufen zu lassen, sondern sie
allerlei polizeilichen Schranken und Chicanen zu unterwerfen,
ihr damit die Sympathie aller liberalen Parteien zuzuwenden,
und zugleich diesen ein weithin wirkendes politisches Agitations-
mittel zu liefern. In Leipzig kam es darüber zu beklagens-
werthen Scenen. Einige unvorsichtige Verfügungen hatten
den Argwohn erregt, daß die sächsische Regierung jesuitische
Umtriebe begünstige; als Prinz Johann, höchst ungerechter
Weise deshalb verdächtigt, 1845 nach Leipzig kam, wurde
seine Wohnung insultirt, bis die herbeigerufene Truppe mit
der Schußwaffe einschritt, und sieben Menschen todt auf dem
Platze blieben. Es war Wasser auf die Mühle der radicalen
Partei, welche damals in wachsender Dreistigkeit die Massen
zu bearbeiten begann, und in den Leipziger Vorgängen einen
dankbaren Stoff für ihre Schilderungen der blutdürstigen
deutschen Tyrannen fand.
Aber nicht sie allein war am Werke der politischen
Agitation. Seit dem Jahre 1839 war der Plan verwirklicht
worden, alle Führer der liberalen Opposition in den einzelnen
Bundesstaaten zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die
bestehende Bundesverfassung zu vereinigen. Alljährlich traten
seitdem die einflußreichsten Notabeln zusammen, ohne Unter-
schied der besondern Parteischattirung, die Radicalen Itzstein
und Hecker, und die Gemäßigten Welcker, Soiron, Basser-
mann aus Baden, der ebenso besonnene wie entschlossene
Heinrich von Gagern aus Darmstadt, der Liberale Wipper-
mann und der Radicale Hildebrand aus Kurhessen, die völlig
revolutionär gesinnten Robert Blum aus Leipzig, Graf Reichen-
bach aus Schlesien, Johann Jacoby aus Königsberg, neben