116 Der Prinz von Preußen über Reichsstände.
ein gewaltiger Sturm. Hier zeigte sich kein Unterschied der
Parteien. Die Conservativen traten für das Erbrecht des
Agnaten, die Liberalen für das Verfassungsrecht der Herzog-
thümer ein; die Demokraten forderten Achtung für den sou-
veränen Willen des schleswig-holsteinischen Volkes. Allgemein
war der Unwille, daß der Bundestag in seinem Beschlusse vom
16. September zwar alle Rechte Holsteins wahrte, dabei aber
in üblicher diplomatischer Höflichkeit sein Vertrauen zu dem
hohen Rechtssinn des dänischen Königs aussprach. Man wü-
thete über eine solche hündische Schweifwedelei, und ganz uner-
träglich schien es, daß die höchste Behörde Deutschlands kein
Wort für Schleswig gefunden hatte. So kann es nicht
bleiben, riefen jetzt auch die sonst gemäßigten Patrioten.
In dieser Zeit kamen nun in Berlin die Berathungen
über die ständische Frage zum Abschluß. Der König hatte
die Commission bedeutend erweitert, seinen Bruder Wilhelm,
welcher damals den Vorsitz im Staatsministerium führte, sämmt-
liche Minister, mehrere Generale hinzugezogen. Der Prinz
hatte schwere Bedenken; er sah sehr deutlich, daß es nach
der Gewalt der Dinge bei dem ersten Schritte auf dieser
Bahn nicht bleiben würde; er besorgte, daß mächtige Reichs-
stände bei der im langen Frieden weit verbreiteten Abneigung
gegen stehende Heere vielleicht durch Schmälerung der Geld-
mittel den Bestand der preußischen Armee erschüttern könnten.
Indessen erklärte sich die große Mehrzahl der Mitglieder für
die zwingende Nothwendigkeit der Maaßregel, und zuletzt er-
kannte sie auch der Prinz ohne Vorbehalt an. Mit festem
Entschlusse hatte er damit seine Wahl für immer getroffen.
„Ein neues Preußen“, sagte er, „wird sich bilden. Das
alte geht mit der Publicirung dieses Gesetzes zu Grabe.