Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

136 Die Märzrevolution 1848 
von Steuern nicht mehr reden hören. Ob nach drei Monaten 
ein Osterreich noch existiren würde, erschien eine schwer zu 
beantwortende Frage. 
In anderer Weise kam es zu einem ähnlichen Umschwung 
in Preußen. 
König Friedrich Wilhelm war gleich von einer ersten 
Rückwirkung der Revolution höchst empfindlich, wenn auch 
nicht an einer für den Staat gefährlichen Stelle, getroffen 
worden. Noch im Februar hatte eine demokratische Partei 
in dem von ihm hochgeliebten schweizer Fürstenthum Neuen- 
burg, von Freischaaren der Nachbarcantone unterstützt, in einem 
raschen Putsch die Herrschaft gewonnen und die Verbindung 
mit Preußen zerrissen. Der König war im tiefsten Herzen 
entrüstet, mußte sich aber zur Zeit mit einem unfruchtbaren 
Protest bei der Eidgenossenschaft begnügen. Um so lebhafter 
fand er in den deutschen Ereignissen Antrieb, auf dem Wege 
deutscher Bundesreform kräftig voranzugehen. Einer seiner 
vertrautesten Freunde, General von Radowitz, hatte schon am 
20. November 1847 die königliche Zustimmung zu einer 
Denkschrift erhalten, worin dem Bundestag die Schöpfung 
einer bessern Kriegsverfassung, die Einsetzung eines Bundes- 
gerichts, die gesammte Gesetzgebung über Handels-, Zoll= und 
Verkehrswesen zugewiesen, und in all diesen Fragen Mehrheits- 
beschluß an die Stelle der bisher nothwendigen Einstimmigkeit 
gesetzt wurde. Daß eine solche Steigerung der Macht des 
alten Bundestags ohne eine gründliche Umformung desselben 
für Preußen und den Zollverein den politischen Selbstmord 
bedeutet hätte, scheint trotz aller Erfahrungen Hardenberg's 
und Bernstorff's weder dem Könige noch seinem Rathgeber 
klar geworden zu sein. Am 1. März wurde Radowitz mit
	        
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