4 Älteste Zeit.
haben alle späteren Gegner von ihnen sagen können: ein
Glück, daß sie stets unter einander hadern. So sind sie
Particularisten von Natur: das nationale Bewußtsein erscheint
bei ihnen erst als Erzeugniß der fortschreitenden Bildung.
Es war so in der ältesten Zeit, und ist so auf allen Stufen
unseres geschichtlichen Lebens geblieben. Ein langer päda-
gogischer Proceß, auf politischem, ökonomischem und geistigem
Gebiete, war erforderlich, ehe den Deutschen die Bildung
eines deutschen Nationalstaats gelang.
Wie hat sich nun dieser Bildungsproceß für das deutsche
Volk gestaltet? Wie haben Staat und Religion, Litteratur
und Volkswirthschaft auf seine Heranbildung zur Nation ein-
gewirkt?
Man kann es sich nicht verbergen: so ungünstig wie
möglich.
Wir lassen hier völlig dahingestellt, ob der historische
Verlauf in andern Beziehungen nützlich, nöthig, unvermeidlich
war; wir stellen nur die Thatsache fest, daß er auf weite
Zeitstrecken hinaus die politische Constituirung einer deutschen
Nation gehindert hat.
Das auf ein Jahrtausend für den Bildungsgang der
Deutschen entscheidende Ereigniß war ihr Eintritt in das
römische Reich und die römische Kirche. Hier bildeten sie
stattliche Monarchien, und lernten die Bedeutung großer
Gemeinwesen kennen. Aber wenn ihre frühern Verbände
nur geringe Partikeln des deutschen Volkes umfaßt hatten,
so reichten die jetzigen weit über die Schranken irgend eines
Volksthums hinaus. Die kleinen Gaue und Sippschaften
der alten Zeit wurden nicht Bestandtheile eines Nationalstaats,
sondern eines Weltreiches und einer Weltkirche. Wie einst