Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

166 Die Parteien. 1848 
Volkes die großdeutschen Gedanken. In München hatte König 
Ludwig I. die Lust am Regimente verloren und seine Abdankung 
vollzogen. Sein Sohn Max II., obwohl von milderem Sinne 
und geringerer Thatkraft als der Vater, dachte doch mit 
gleicher Zähigkeit seine souveränen Kronrechte zu wahren. 
Seine Minister erklärten öffentlich in einem tragikomischen 
Gepolter Dahlmann's Arbeit für einen Fürsten und Völker 
vernichtenden Entwurf, welcher die Rechte der Einzelregierungen 
zerstöre, den Volksstämmen die Freiheit der Entwicklung raube, 
und in der Centralgewalt eine alles innere Leben ertödtende 
Despotie begründe. Unter persönlicher Theilnahme des Königs 
wurde dann ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, dessen Abwendung 
von Dahlmann's Standpunkt allerdings so vollständig wie 
möglich war. Statt des Erbkaisers ein von sechs zu sechs 
Jahren wechselndes Directorium, dessen Mitglieder nicht 
gewählt werden, sondern nach einem festen Turnus unter 
sämmtlichen Reichsfürsten eintreten sollten; in gleicher Weise 
war auch die Competenz der Reichsgewalt auf das noth- 
dürftigste Maaß beschränkt, und den Einzelstaaten die Fülle 
der Souveränitätsrechte gewahrt. Es wäre damit den Bedürf- 
nissen der Nation so viel und so wenig geholfen worden, 
wie durch die Bundesverfassung von 1815: mit Grund wurde 
von dem Entwurfe gesagt, es sei nichts Gutes daran als 
seine Unausführbarkeit. 
Was dann Osterreich, den natürlichen Bundesgenossen 
dieses Particularismus, betraf, so war zwar die Regierung 
von hundert andern Sorgen näher und stärker in Anspruch 
genommen als von der Frage der deutschen Reichsverfassung. 
Aber ihren Wünschen kamen allmählich wachsende Strömungen 
in der Bevölkerung selbst entgegen. Von Prag aus begann
	        
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