Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Wachsende Aussicht für einen Reichsverweser. 179 
Preußen einem offenen Bruch mit der Nationalversammlung 
aussetzen! Der Muth dazu versagte ihm. Er telegraphirte 
den Angstruf zurück: stimme ich für Johann, so wird er 
Reichsverweser, sonst drei Privatpersonen. In der Nacht 
kam Gagern zu ihm und erklärte ihm, die Erhebung Johann's 
sei so gut wie gewiß, seitdem man wisse, daß die Regierungen 
keinen andern wählen würden. Dieser positiven Äußerung 
gegenüber war es für Usedom doppelte Pflicht, dem erhaltenen 
Befehle gemäß, die Täuschung zu zerstreuen und den Protest 
seiner Regierung anzukündigen. Aber auch in diesem Moment 
hatte er den Muth, muthlos zu sein. Er redete noch einmal 
von dem Verdrusse des preußischen Volkes bei einer Wahl 
des Erzherzogs, von dem entgegenstehenden Willen seiner Regie- 
rung sagte er kein Wort. Nach dieser Unterredung durfte Gagern 
die Zustimmung des preußischen Königs für verbrieft halten. 
Unterdessen tobte seit dem 19. in der Nationalversammlung 
die Redeschlacht über Republik und Monarchie, über Einheit 
und Dreiheit, über Volkssouveränität und überkommenes 
Recht, über das Alles durcheinander, zuweilen in stündlich 
wechselnder Stimmung. Im Ganzen aber blieb die Partei 
des Reichsverwesers im Wachsen, und als auch Radowitz sich 
dafür ausgesprochen, zweifelte niemand mehr an dem Ein- 
verständniß des preußischen Königs. Am 23. erklärte Dahl- 
mann für den Ausschuß, daß auch dieser in seinem Antrag 
an die Stelle des Directoriums einen von den Regierungen 
zu bezeichnenden, von der Versammlung zu bestätigenden 
Reichsverweser setze. Damit konnte Gagern die Beseitigung 
des Triumvirats und die Erhebung des Erzherzogs als 
gesichert annehmen. Es war ihm aber noch nicht ausreichend. 
Was er in seiner ersten Antrittsrede proclamirt hatte, die 
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