Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

188 Nationalversammlung und Reichsverweser. 1848 
tropfen kämpfen, ehe er sich mediatisiren lasse, zur einfachen 
Unterwerfung. 
Unterdessen kam aus Wien erfreuliche Kunde. Der Erz- 
herzog empfing die Abgeordneten auf die entgegenkommendste 
Weise, und sprach sofort die Annahme der ihm dargebrachten 
Würde aus. Einen Augenblick dachte er daran, seine beiden 
großen Amter neben einander fortzuführen, erkannte aber sehr 
bald die Unmöglichkeit, und beschloß, zunächst in Frankfurt 
die Regierung anzutreten, hierauf noch einmal auf einige 
Tage nach Wien zur Eröffnung des dortigen Reichstags zurück- 
zukehren, und dann sich vollständig der deutschen Aufgabe zu 
widmen. In allen seinen Außerungen zeigte er sich so schlicht 
und biedermännisch wie möglich; seine Ansprachen klangen 
in ihrem Wiener Deutsch hinreißend, gemüthlich und treu- 
herzig; es schien deutlich, daß in diesem Manne kein Falsch 
sein könnte. Indessen, immerhin war er ein kluger und ehr- 
geiziger alter Herr, hatte den lebhaften Wunsch, sich alle 
Wege offen zu halten, und hoffte vielleicht gerade durch sein 
anspruchloses Auftreten hohe Ziele zu erreichen. In seinen 
Manifesten redete er von keinem andern Rechtstitel als dem 
Beschlusse der Nationalversammlung, an Herrn von Schmerling 
aber sandte er zugleich ein Schreiben mit dem Ausdruck des 
Dankes für das Vertrauen der deutschen Regierungen, welches 
ihm erst den festen Boden für seine Wirksamkeit schaffe. Ebenso 
freundlich stellte er sich zu dem preußischen Gesandten, Grafen 
Bernstorff, durch die Zusage, daß er die Reichsministerien 
des Außern und des Kriegs stets nur nach Preußens Vor- 
schlägen besetzen werde. Das Alles stimmte ganz und gar 
nicht zu dem Standpunkte der Nationalversammlung, in 
Berlin aber blieb man auch nicht lange von seinem Entgegen-
	        
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