1848 Veränderung der Lage. 193
wahrer Trost, setzte er hinzu, ist der Sieg des Generals
Cavaignac; er wird auch für Deutschland große Folgen haben.
Man konnte nicht richtiger urtheilen. Wer bis dahin in
Deutschland mit revolutionärem Winde gesegelt war, mochte
sich hüten, jetzt nicht sein Schiff im Sande festzufahren.
Die Nationalversammlung war nur deshalb mächtig,
weil man an ihre Macht glaubte. Noch bestand dieser Glaube
weit und breit in deutschen Landen, aber wer hätte nach jenen
Ereignissen für eine längere Fortdauer desselben einstehen
mögen? Die große Revolutionsquelle in Paris war geschlossen;
die Fürsten sahen, daß die Massen der Barrikadenkämpfer
nicht unüberwindlich waren, und diese Massen schwärmten
ihrerseits zwar für die Männer der Linken, hatten aber gegen
die Mehrheit der Nationalversammlung ebenso feindselige Ge-
danken wie gegen die Regierungen. Diese Lage der Dinge
konnte den Augen der Welt nicht lange undeutlich bleiben,
und sobald sie offen an das Licht trat, waren nicht mehr die
Fürsten von dem guten Willen der Versammlung, sondern
diese von dem guten Willen der Fürsten abhängig.
Unter solchen Verhältnissen konnte es für die National-
versammlung keinen dringenderen Antrieb geben, als möglichste
Beschleunigung des Verfassungswerkes, Vollendung desselben,
ehe das Sinken der parlamentarischen Allmacht und die Wieder-
erhebung der Particulargewalten offenkundig wurde. Alles
kam darauf an, das definitive Reichsregiment festzustellen,
so lange ein Beschluß der Nationalversammlung noch für
den Ausdruck eines unwiderstehlichen Volkswillens gehalten
wurde.
Aber anstatt sofort nach der Berufung des Erzherzogs
zur Organisirung der künftigen Reichsgewalt zu schreiten,
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. I.