194 Verwicklungen. 1848
beschloß die Versammlung am 3. Juli, vorher in die Be-
rathung der Freiheitsrechte des deutschen Bürgers, oder, wie
man damals sagte, der Grundrechte des deutschen Volkes,
einzutreten. Es war ein Beschluß, ungemein bezeichnend für
die historische Stellung dieses Parlaments. Bei einem weiter
entwickelten Nationalbewußtsein hätte man vor Allem die
angemessene Ordnung des Reiches gefordert, ohne welche die
Freiheit keines Bürgers gesichert ist. Hier aber zeigte sich
daß bei allem Drange zur nationalen Einheit doch der
Gedanke der individuellen Selbständigkeit das innerste Herz
der Versammlung bewegte. Für die radicale Minderheit
hatte die nationale Einheit überhaupt nur Werth unter dem
Zeichen der Republik; sie verabscheute eine Einheit unter der
Verfassung, wie sie nach dem Sinne der Mehrheit zu er—
warten war. Jetzt hoffte sie die Grundrechte so gründlich mit
schrankenloser Freiheit zu erfüllen, daß damit überhaupt keine
monarchische Regierung mehr bestehen könnte. So consequent
nach ihren Grundsätzen die Linke hiebei verfuhr, so ungenügend
waren die taktischen Gründe, welchen die gemäßigten Parteien
bei dem entscheidenden Beschlusse Einfluß gestatteten. Bis
dahin war in der Versammlung nur ein einziger großer
Gegensatz herrschend gewesen, der der constitutionellen Mehr—
heit und der republikanischen Minderheit, und auch wo ver—
schiedene Schattirungen zu engerer Gruppenbildung führten,
fand sich im entscheidenden Augenblick die große Mehrheit doch
stets geschlossen vereinigt. Ihren Führern lag Alles daran,
diese Geschlossenheit der Majorität so lange wie möglich auf—
recht zu halten, und nun ergab sich leider die heftigste
Spaltung, sobald auch nur im Privatgespräche an die Frage
der künftigen Reichsgewalt und des künftigen Reichsoberhaupts