Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Verhandlung der Grundrechte. 205 
als am folgenden Tage während der Feierlichkeit sich Alles 
durchaus erfreulich verlief, und am Schlusse des Festmahls 
der König einen begeisternden Trinkspruch auf die „Bau- 
meister am Dome der deutschen Einheit“, auf die National- 
versammlung, ausbrachte. 
Während dieser Vorgänge zwischen den Regierungen wälzte 
unterdessen in der Paulskirche der Redefluß über die Grund- 
rechte seine trägen Fluthen unerschöpflich weiter. Welch' eine 
Wonne, rief einmal ein Mitglied des Verfassungsausschusses, 
jetzt endlich als Gesetz aufzeichnen zu können, was wir dreißig 
Jahre lang so heiß und stets vergeblich ersehnt haben. In 
dieser Stimmung hatte bereits der Ausschuß in seiner Vor- 
lage mehr als hundert Artikel eingebracht. Man war weit 
über den ursprünglichen Sinn der Aufgabe hinausgegangen. 
Früher verstand man darunter die Feststellung der persönlichen 
Freiheitsrechte, also z. B. Sicherung vor willkürlicher Ver- 
haftung, Beschützung des Eigenthums, freies Vereins= und 
Versammlungsrecht, Freiheit zu denken und zu glauben, zu 
schreiben und zu drucken nach der persönlichen Überzeugung: 
jetzt aber wurde zu den Grundrechten des deutschen Volkes 
auch der Anspruch gerechnet, eine andere Gemeindeverfassung, 
eine andere Rechtspflege, ein anderes Strafgesetz, ein anderes 
Staatskirchenrecht, ein anderes Unterrichtswesen, als es bisher 
in den einzelnen Staaten bestanden hatte, zu erhalten. Da 
selbstverständlich das Parlament nicht in der Lage war, alle 
diese Gesetze selbst auszuarbeiten, so wollte man wenigstens 
die leitenden Grundsätze dafür feststellen, und man ermißt 
leicht, wie sich nun scharfsinnige Juristen, eigenwillige Local- 
patrioten, nivellirende Republikaner und vorsichtige Conser- 
vative in Verbesserungsanträgen, Zusatzanträgen, Unteranträgen
	        
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