Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Zustände in Berlin und Wien. 251 
Linken gerathen, was dann bei ihrer gesetzgeberischen Thätig- 
keit in greller Weise zum Ausdruck gelangte. Bei dem Könige 
wuchs der Zorn über diese Zustände mit jeder Woche, da- 
neben aber auch die Besorgniß über die schlimmen Folgen, 
welchen er durch ein energisches Einschreiten sich und den Staat 
aussetzen könnte. Er sah damals häufig einen seiner tapfersten 
Vorkämpfer im Vereinigten Landtag, Herrn von Bismarck- 
Schönhausen, und hatte seine Freude an der kräftigen Frische 
und der reichen Gedankenfülle des jungen Mannes. Einmal, auf 
der Terrasse der Orangerie bei Potsdam, besprachen sie wieder 
die Unerträglichkeit der Lage und die Mittel zur Abhülfe. 
Ein scharfes Auftreten, meinte der König, könnte zu gefährlich 
werden. Bismarck erwiderte, nur die Muthlosigkeit würde 
Gefahr bringen, also Muth und Muth und wieder Muth, 
und Majestät werden siegen. In diesem Augenblick trat die 
Königin hinter einem kleinen Gebüsch mit dem Ausrufe her- 
vor: aber, Herr von Bismarck, wie können Sie in solchen 
Ausdrücken mit Ihrem Könige reden? Laß ihn nur, sagte der 
König lachend, ich werde ihn schon unterkriegen — und setzte 
die Erörterung seiner zurückhaltenden Taktik fort. Bald aber 
trieben die Ereignisse immer drängender zur Entscheidung. 
Nach der Niederwerfung des Frankfurter Aufstandes verlegte 
der deutsche Demokratencongreß seine Zusammenkünfte nach 
Berlin, was dann eine weitere Erhitzung der radicalen 
Vereine und des auf sie schwörenden Proletariats, sowie ent- 
sprechende Beschlüsse der Nationalversammlung zur Folge 
hatte. Mit ganz anderer Wucht und Wuth entlud sich zu- 
gleich am 6. October in Wien die entfesselte Leidenschaft 
eines bewaffneten Pöbels gegen eine Regierung, deren kopf- 
lose Schwäche kaum noch diesen Namen verdiente. Bei dem
	        
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