Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

266 Die Nationalversammlung und die Mächte. 1848 
schloß, mithin die Ankündigung, daß Osterreich seinen berech- 
tigten Einfluß auf die Gestaltung der deutschen Rechtszustände 
nicht schmälern lassen würde. Aber welches Gewicht würde 
der Kaiserstaat für diesen Einfluß begehren? welche Forde- 
rungen würde er demnach für den Inhalt der neuen Ver- 
fassung stellen? wie weit würde er unliebsamen Beschlüssen 
des Parlaments sich unterwerfen? 
Man ermißt leicht die Bewegung, welche diese Fragen 
in Frankfurt hervorrufen mußten. Die erste Wirkung davon 
traf den leitenden Reichsminister, Herrn von Schmerling, der 
es mit Deutschland gut meinte, vor Allem aber von Grund 
aus ÖOsterreicher war. Die bisherigen Führer der Majorität, 
die Männer des preußischen Kaiserthums, erkannten, daß sie 
fortan in ihm einen wirksamen Gegner zu erwarten hatten, 
und verdrängten ihn mit Hülfe der Linken durch ein zwar 
höfliches aber deutliches Mißtrauensvotum aus seinem Amte, 
welches darauf am 18. December Heinrich v. Gagern übernahm, 
während das Präsidium in der Paulskirche dem Königsberger 
Professor Eduard Simson übertragen wurde, einem Manne 
von jüdischem Blut, aber deutschem Geist und Herzen, einem 
warmen Patrioten und scharfsinnigen Politiker, der durch 
eine seltene Verbindung von ästhetischem Schönheitssinn und 
schlagfertigem Witze, zugleich ein Meister der Beredtsamkeit und 
ein Virtuose des Präsidialtalents wurde. Die National- 
versammlung war damals in der Berathung der Reichsverfassung 
mit dem Abschnitte über den Reichstag beschäftigt. Man 
erkannte an, daß im Bundesstaate neben der nationalen Einheit 
auch die Vertretung der Sonderinteressen ihre Stelle haben, 
daß also neben das aus allgemeinen Wahlen hervorgehende 
Volkshaus ein Staatenhaus treten müsse, dessen Mitglieder
	        
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