284 Die Frage des Reichsoberhaupts. 1849
Beifall spendete. So ging es fünf Tage lang weiter. Gegen
den Ausschußantrag, die Würde des Reichsoberhaupts werde
einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen, hatten
die Großdeutschen ein sechsköpfiges Directorium, die Linke
einen aus allen dreißigjährigen Deutschen wählbaren Prä-
sidenten aufgestellt, jedoch siegte der Ausschuß mit 258 gegen
211 Stimmen. Ein freudiger Beifallsruf lief durch die
Reihen des Centrums. «
Aber wenige Tage später wich der Siegesjubel einer
tiefen Niedergeschlagenheit, und wahrlich Grund genug, weit
über die Partei hinaus, war dazu vorhanden. Der Ausschuß
beantragte die Erblichkeit der Kaiserwürde; dagegen stellten
Großdeutsche, Demokraten und selbst einzelne Gruppen der
Kaiserpartei Gegenvorschläge, ein Wahlkaiserthum auf Lebens-
zeit, auf zwölf, auf sechs, auf drei Jahre. Das Ergebniß
war das beschämendste, welches für eine große Nation sich
denken ließ: in dieser Grund= und Cardinalfrage kam nach
wochenlanger Discussion überhaupt kein Mehrheitsbeschluß zu
Stande. Noch einmal erschien in der grellsten Färbung
und Beleuchtung das trostlose Bild des alten, gespaltenen
und dadurch impotenten Deutschland. Die innere Zersetzung
des Parlaments vergiftete den Gegensatz der Parteien zu
leidenschaftlichem persönlichem Hasse: wie man aus diesem
kranken Zustand wieder zu positivem Wirken gelangen sollte,
wußte niemand anzugeben. Man lebte eben weiter und
wartete, was der folgende Tag bringen möchte. Was die
große Streitfrage betraf, welche das Vorparlament der
Nationalversammlung, und diese im Sommer dem Winter zu-
geschoben hatte, so richtete sich jetzt die letzte Hoffnung auf die
demnächstige zweite Lesung der Verfassung. In diesem Sinne