Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

292 Die Frage des Reichsoberhaupts 1849 
Freunden einen ermuthigenden, bei den Gegnern einen 
beängstigenden Eindruck, so daß Schmerling nach Olmütz 
das dringende Ersuchen um eine ebenso wirksame Äußerung 
sandte. Eine solche erschien dann in einer Note vom 4. Februar, 
welche die Erklärung aussprach, Osterreich sei weit entfernt, 
von einer näheren Einigung und (mit ominös doppelsinnigem 
Ausdruck) Verschlingung der deutschen Staaten sich auszu- 
schließen; nur könne dies nicht der bisher vorgeschlagene 
Bundesstaat sein, der alle Gefahren des Einheitsstaats an 
sich trage, und Osterreich nur die Wahl zwischen Zerreißung 
seiner innern Einheit oder gänzlicher Ablösung von Deutsch- 
land lasse, und auch mit den alten europäischen Verträgen 
in Widerspruch stehe. Fragte nach diesen Verneinungen der 
Leser, was denn die kaiserliche Regierung zu schaffen bean- 
trage, so erfolgte die Antwort: ihr schwebe ein festes und 
mächtiges, starkes und freies, gegliedertes und einiges Deutsch- 
land vor, auf dessen Grundlage alle deutschen Staaten und 
alle ihre nichtdeutschen Landestheile Platz fänden. Es war 
die erste, noch etwas verschwimmende Andeutung der von 
Schwarzenberg in Berlin erhobenen Forderungen, und zu- 
gleich der erste Hinweis auf die Herrlichkeit des mittel- 
europäischen Siebzigmillionen-Reiches, wo 40 Millionen Deutsche 
und 30 Millionen Nichtdeutsche im gemeinsamen Dienste 
Osterreichs sich verbrüdern würden. Es war kein Zeichen 
nationales Bewußtseins oder politischer Reife, daß damals 
viele Tausende braver deutscher Männer sich durch den Nebel- 
glanz dieses Colossalbildes in Begeisterung versetzen ließen. 
Im Parlamente war unterdessen am 3. Februar die erste 
Lesung der Reichsverfassung zum Schlusse gekommen, und 
die Kaiserpartei, gestärkt durch die preußische Note, hatte den
	        
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