Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1849 Aufschub der zweiten Lesung der Reichsverfassung. 293 
lebhaften Wunsch, so schnell wie möglich die zweite Lesung 
und damit den endgültigen Abschluß folgen zu lassen. Das 
Gegentheil lag im österreichischen Interesse. Denn vor der 
lberwältigung der ungarischen Revolution war Fürst 
Schwarzenberg nicht in der Lage, zu der Bekämpfung der 
Paulskirche etwas anderes als drohende Worte zu verwenden, 
und obgleich Fürst Windischgrätz gegen die Magyaren erheb- 
liche Fortschritte gemacht, Anfang Jannar Buda-Pest besetzt 
und damit in Olmütz die Hoffnung auf baldige Entscheidung 
hoch gesteigert hatte, so standen doch immer noch magyarische 
Heere im Felde, und die Erreichung des Ziels lag in unbe- 
stimmter Ferne. Es galt also, in Frankfurt Zeit zu gewinnen, 
die zweite Lesung möglichst hinauszuschieben, und bei derselben 
entweder das Zustandekommen jeder Verfassung zu hindern, 
oder, falls dies nicht erreichbar sei, sie so gründlich zu ver- 
schlechtern, daß an ihre Verwirklichung nicht zu denken wäre. 
Zunächst gelang der Aufschub. Die vereinigten Oppositionen 
der Großdeutschen und der Linken setzten es durch, daß vor 
der zweiten Lesung der Verfassung einige noch zurückgelegte 
Grundrechte, und dann, daß nach diesen das Wahlgesetz für 
das Volkshaus zur Verhandlung kommen sollten. 
Für den Augenblick hatte auch Camphausen keinen Grund, 
den Aufschub zu beklagen, da natürlich nicht im Handumdrehen 
ein gemeinsamer Antrag der deutschen Regierungen über den 
Inhalt des bisher vorliegenden Verfassungsentwurfs zu be- 
schaffen war. Allerdings hatte bereits der Großherzog von 
Baden, und diesem Beispiel folgend, fast alle Kleinstaaten sich 
für ein monarchisches und erbliches Reichsoberhaupt ausge- 
sprochen; daneben aber bot, wie wir wissen, die Verfassung 
mehr als hinreichenden Stoff zu sorgsamer Erwägung und
	        
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