Beziehungen zu Deutschland. 17
Ungünstig für Osterreichs Beziehungen zu Deutschland
war sodann das Verhältniß der Nationalitäten. Schon in
den alten Erblanden war, wie wir sahen, die deutsche An-
siedlung im Mittelalter lange nicht so vollständig, wie im
deutschen Nordosten gewesen; in runder Schätzung kamen
dort im vorigen Jahrhundert auf vier Deutsche drei Nicht-
deutsche. Dann aber in den seit 1699 gemachten Erwerbungen
überwogen Slaven und Rumänen, Italiener und Magyaren
das deutsche Element so sehr, daß sie drei Viertel der Gesammt-
bevölkerung der Monarchie bildeten. Dadurch wurde zwar
der Vortheil, welchen Deutschland aus der Verbindung mit
der Heeresmacht des Kaiserstaats im Kriege ziehen konnte,
wenig beeinträchtigt, um so mehr aber das Erwachsen einer
innern Gemeinschaft der materiellen und geistigen Interessen
erschwert. Die ausschließlich katholische Politik des Wiener
Hofes konnte diese Entfremdung nur steigern. So dienst-
willig die geistlichen Fürsten zu Osterreich hielten, so arg-
wöhnisch zogen sich die protestantischen Stände im Interesse
ihrer Kirche zurück. Und mit gleichem Mißtrauen schlossen
umgekehrt die österreichischen Behörden ihre Grenzen gegen
jedes Erzeugniß des deutschen Geistes ab, welches der kirch-
lichen Censur verdächtig erscheinen konnte. Die Folge war,
daß von der mächtigen Bewegung der Geister, welche in
Deutschland die Entfaltung unserer classischen Litteratur her-
vorrief, nur einzelne spärliche Ausläufer wirkungslos nach
Osterreich gelangten. Mehr und mehr schieden sich die Wege
der Bevölkerung in den beiden Ländergruppen.
Was die auswärtigen Beziehungen betraf, so war aller-
dings Österreich durch seine schwäbischen und belgischen
Provinzen vor hundert Jahren stärker als heute mit den
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches I. 2