1849 Annahme der Verfassung und Kaiserwahl. 305
den großen Beschluß der Stadt; der Telegraph trug ihn
sofort in alle Lande. Die Nationalversammlung aber ernannte
eine Deputation von 32 Mitgliedern, welche, geführt durch den
Präsidenten Simson, dem König die getroffene Wahl anzeigen
und von ihm die erhoffte Annahme entgegen nehmen sollte.
Vor der Abreise hatte Simson noch eine Scene be-
sonderer Art durchzumachen. Er wurde mit seinen Vice-
präsidenten und den Reichsministern zum Erzherzog Johann
beschieden. Der hohe Herr, welcher durch die Kaiserwahl die
einst gehegten Träume für immer zerronnen sah, vermochte
seinen Verdruß nicht zu bergen; er sprach der Versammlung
seine Abdankung als Reichsverweser aus. Wir werden sehr
bald wahrnehmen, wie weitgreifende Folgen der hiemit ein-
tretende Verlust dieser wichtigen Stellung für Osterreich nach
sich gezogen hätte: so vernahmen die Anwesenden die Kunde
mit innerer Befriedigung, jedoch hielt Simson es für eine
Anstandspflicht, den Erzherzog mit kräftigen Worten zum
Bleiben aufzufordern. Johann entließ die Herren mit der
Erklärung erwägen zu wollen, schrieb aber nach einigen
Stunden an Gagern, daß er befinde bei seinem Entschlusse
der Abdankung stehen zu bleiben, und beauftragte ihn, dies
der Nationalversammlung mitzutheilen. Zugleich meldete er
seinen Rücktritt nach Wien und bat auch den König Friedrich
Wilhelm, sich zur Übernahme zunächst der provisorischen
Centralgewalt bereit zu machen.
Der König wurde durch diese sich drängenden Nachrichten
in hohem Grade erregt und mit streitenden Gefühlen erfüllt.
Vor allem blieb die Ansicht, daß die Nationalversammlung
zur Kaiserwahl nicht befugt sei: man nimmt nur an, schrieb
er, oder schlägt nur aus eine Sache, die geboten werden
v. Sybel. Begründung d. deutschen Reiches. I. 20