Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1849 Preußische Circulardepesche vom 10. April. 313 
gewählt, an Erzherzog Johann's Stelle provisorischer Statt- 
halter von Teutschland zu werden, und Ordnung zu machen, 
2. dann aber Erzfeldherr Teutschlands zu werden, und Ord- 
nung zu erhalten“. 
Camphausen's wohlgemeintem Versuche leuchtete kein 
günstiger Stern. Nachdem bereits am 11. April die National- 
versammlung erklärt hatte, unter allen Umständen an ihrer 
Verfassung unwandelbar festzuhalten, hatten am 14. die 
Bevollmächtigten von 28 Kleinstaaten ihre unbedingte Annahme 
nicht bloß des preußischen Kaiserthums, sondern der ganzen 
Verfassung ausgesprochen, und damit die Aussicht auf eine 
Revision derselben im Sinne des Königs sehr zweifelhaft 
gemacht. Indessen hatte Camphausen die Genugthuung, daß 
die Reichsminister dies Bedenken nicht allzu ernstlich nahmen. 
Nach gründlicher Erwägung mit den Führern der befreundeten 
Parteien eröffneten sie dem preußischen Bevollmächtigten, sie 
könnten die formelle Gewähr für eine conservative Revision 
der Verfassung übernehmen, wenn der König sofort seine 
Annahme der Kaiserwürde verkünde. Man sei bereit, den 
Grundsatz anzuerkennen, daß kein Staat zum Beitritt ge- 
zwungen werden solle; nur die Abgeordneten der freiwillig 
beitretenden Staaten würden zu dem Revisionswerke, am besten 
n eine andere geeignete Stadt, z. B. Erfurt, berufen werden; 
wie die früheren Abstimmungen es zeigten, sei der günstige 
Erfolg der Revision schon durch das eben geschehene Ausscheiden 
der Osterreicher aus dem Parlament vollkommen verbürgt. 
Das Reichsministerium beschloß hienach am 18. April, eins 
seiner Mitglieder, den dem Könige persönlich werthen Herrn 
von Beckerath, mit diesen Vorschlägen nach Berlin zu senden. 
Wie man sieht, unterschieden sie sich von Camphausen's
	        
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