Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

320 Die Katastrophe. 1849 
archen trennte. Wir dürfen es unterlassen, das traurige Bild 
ihres Todeskampfes weiter zu verfolgen. Tag für Tag schieden 
in wachsender Anzahl die gemäßigten Mitglieder aus, zuletzt 
hatte die Linke das Feld allein, rief ohne Verhüllung das 
deutsche Volk zur allgemeinen Revolution auf und wurde 
endlich in Stuttgart, wohin sie ihre Sitzungen verlegt hatte, 
durch ein von dem Märzminister Römer gesandtes Militär- 
commando auseinander gejagt. 
So jämmerlich war das Ende des hoffnungsreich und 
imposant begonnenen Werkes. Wir haben die Fehlgriffe be- 
merkt, wodurch die Nationalversammlung sich an der Herbei- 
führung eines solchen Ausgangs betheiligte. Ebenso bestimmt 
jedoch müssen wir hier wiederholen, was wir schon beim An- 
fang ihres Wirkens betonten: die innere Unmöglichkeit der 
Lösung der Aufgabe bei dem damaligen Stande der politischen 
Bildung im deutschen Volke, wo hier radicale Bestrebungen, 
dort die Macht des Sonderthums die Anziehungskraft des 
nationalen Gedankens noch überwogen. Allein keine Schande, 
sondern ein Ruhm ist es, seinen Zeitgenossen voraus zu sein, 
und deshalb zwar erfolglos in der Gegenwart zu bleiben, wohl 
aber den Samen einer großen Zukunft auszuwerfen. Dies 
hat die Nationalversammlung gethan, und damit einen ehren- 
vollen Namen in der Geschichte behauptet. Die Richtung, 
welche sie dem vaterländischen Sinne gegeben, ist unvertilgbar 
geblieben, und auch eine glücklichere Folgezeit hätte das Ge- 
lingen nicht erlebt, wäre nicht durch unser erstes Parlament, 
trotz aller Irrthümer über die Mittel, mit so gewaltigem 
Nachdruck das Ziel dem Volke gezeigt worden: die Freiheit 
im Innern, die Einheit nach Außen.
	        
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