Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1849 General von Radowitz. 325 
seine Stellung aufgeben und in Preußen eine Zuflucht suchen 
müssen. Hier gewann er durch enthusiastische Hingebung und 
christliche Glaubenswärme die volle Zuneigung des Königs, 
den es nicht störte, daß das Christenthum des Freundes sehr 
bestimmt die katholische Farbe trug. Radowitz, ein stets ernst 
blickender Mann von stark ausgeprägten Gesichtszügen, festem 
und gemessenem Auftreten, immer Herr über seine Affecte, 
war gedankenvoll und kenntnißreich, im Besitze eines wahrhaft 
encyklopädischen, wenn auch hier und da dilettantischen Wissens, 
ein Gelehrter gleich sehr auf mathematischem und geschicht- 
lichem, theologischem und archäologischem Gebiete, dabei höchst 
bewandert in den adlichen Wissenschaften der Genealogie, 
Wappen= und Siegelkunde. Er war ein Meister sowohl der 
Conversation als der Rednerbühne; hier und dort sprach er 
stets nur nach gründlichster Vorbereitung, dann aber mit dem 
ganzen Gewichte des fertigen Gedankens, der geschlossenen 
Form und der zugeschliffenen Schärfe, so daß er in der 
Paulskirche sehr bald zu den gefeiertsten und von allen Par- 
teien beachteten Rednern gehörte. Stets aber liebte er, lange 
zu schweigen, dann in der Rede errathen zu lassen, wie viel 
Ungeahntes noch hinter dem ausgesprochenen Worte liege, 
und dadurch die Spannung der Hörer zu erhöhen. So im- 
ponirte er, wo er auftrat, gewann aber nicht leicht das Ver- 
trauen weiterer Kreise, welchen bei jenem zugleich andeutenden 
und zurückhaltenden Verfahren sein Wesen und seine letzten 
Zwecke unklar blieben. Die preußischen Liberalen hatten 
Argwohn gegen den Katholiken, der in allen kirchenpolitischen 
Fragen die Begehren der ultramontanen, sonst in Frankfurt 
stets großdeutschen und preußenfeindlichen Partei vertrat. 
Vollends die Conservativen und Feudalen wußten sich die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.