1850 Das Vierkönigsbündniß. 355
Spitze seiner Regierung zu stellen. Am 27. erfolgte darauf in
München die formelle Vereinbarung des von den vier Königen
berathenen Verfassungsplanes mit der Bestimmung, daß er
zunächst in Wien und Berlin zur Annahme empfohlen werden
sollte. Hannover hatte vier Tage vorher in Berlin seinen
Austritt aus dem Bündniß vom 26. Mai angezeigt, weigerte
aber doch, wie es scheint aus einem gewissen Anstandsgefühl,
seine Unterschrift unter dem Münchener Vertrag, allerdings
unter steter Betheuerung thätiger Gesinnungstüchtigkeit. Frei-
herr von Beust aber hatte solche Bedenken überflüssig ge-
funden, und unzögerlich den Münchener Vertrag mitvollzogen,
so daß Sachsen officiell jetzt Mitglied zugleich des Bundes
und des Gegenbundes geworden war.
Der Entwurf lieferte nun in den meisten Punkten die
österreichischen Forderungen, zum Theil aber nur in halb
verschämten Andeutungen. Die Competenz der Bundesgewalt
in der innern Politik wurde durchgängig als Oberaussicht
bezeichnet, und unter Anderm ihr auch die Oberaussicht über
„die gemeinsamen Zoll= und Handels-Angelegenheiten“ beigelegt,
was auf Ssterreichs Eintritt in den Zollverein zielte. Das
siebenköpfige Directorium wurde als Bundesregierung bezeichnet,
welche überall nach einfacher Stimmenmehrheit Beschlüsse faßt,
und nur bei Verfassungsänderungen der Einstimmigkeit bedarf.
Osterreichs Präsidium war, wohl als selbstverständlich, nicht
erwähnt. Wenn Fürst Schwarzenberg jede Volksvertretung
beim Bunde zurückwies und höchstens ein Staatenhaus von
Regierungsbevollmächtigten zulassen wollte, so wirkte doch in
dem Blute Pfordten's noch so viel Erinnerung an seine radi-
cale Jugendzeit, daß er lebhaft für ein Bundesparlament ein-
trat, und bei den drei Genossen schon aus Rücksicht auf ihre
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