358 Der Gegenbund. 1850
Union, welche nicht mehr das deutsche Reich darstellen konnte,
hatte damit sein herzliches Wohlgefallen durchaus verloren.
Sein ganzes Interesse stand jetzt darauf, sich mit Osterreich
über den weitern Bund und dessen definitive Verfassung zu
verständigen. Dann erst sollte innerhalb dieses großen
Bundes, und dessen Grundgesetzen angepaßt, die Union in
das Leben treten. Einstweilen war er ganz einverstanden
mit einer vorläufigen Berathung ihrer Verfassung durch das
Parlament, äußerte sich aber sogleich bedenklich und sehr bald
ablehnend über die Annahme der Verfassung durch eine einzige
Abstimmung des Parlaments, und vollends über sein dann
auf der Stelle folgendes Auftreten als Unionsvorstand. Er
machte jetzt kein Hehl daraus, daß die von ihm selbst dem
deutschen Volke dargebotene Verfassung vom 26. Mai ihm
äußerst bedenklich geworden sei. Sie war damals bei der
revolutionären Gährung mit Rücksicht auf die liberalen Stim-
mungen des Bürgerthums im liberalen Sinne redigirt worden.
Nun fand der König, daß die Stimmungen sich verändert,
und folglich auch entsprechende Anderungen der Verfassung
Platz zu greifen hätten; wenn das Parlament diese nicht voll-
ziehe, müsse er sich trotz der Enbloc-Annahme des Ganzen
die Freiheit vorbehalten, aus der Union auszuscheiden.
Allerdings sah es zur Zeit in Preußen anders aus, als ein
Jahr zuvor. Nach der Auflösung der Kammern im April 1849
hatte die Regierung ein neues Wahlgesetz octroyirt, desselben
Inhalts wie ihn damals Radowitz für die Reichstagswahlen
vorschlug. Darauf hatte die demokratische Partei mit heftigen
Protesten gegen solche Gesetzwidrigkeit und mit allgemeiner
Wahlenthaltung geantwortet, und war hiemit, da die Straßen-
tumulte gründlich beseitigt waren, von dem politischen Schau-