Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Fruchtlose Unterhandlung zwischen Wien und Berlin. 365 
Schwarzenberg die Ansicht, daß sie, wie der Zollverein, 
unwiderstehlich die übrigen deutschen Staaten in ihre Kreise 
hinein ziehen und damit factisch Osterreich aus Deutschland 
hinausdrängen würde. Zur Bekämpfung dieser Gefahr erschien 
ihm ein Organ nothwendig, welches den Mitteln materieller 
Gewalt auch die Waffen des Rechts hinzuzufügen vermöchte, 
und nahe genug lag bei dem bisherigen Gange der Ver- 
handlung die Schöpfung dieses Organs, die erneuerte Acti= 
virung des am 12. Juli 1848 inactiv gewordenen Bundes- 
tags. Demnach beschloß Schwarzenberg zunächst einen vor- 
bereitenden Schritt. Am 19. April zeigte er durch eine 
Circularnote den deutschen Regierungen außer Preußen an, 
daß das Interim vom 30. September am 1. Mai ablaufe, 
Deutschland aber nicht ohne eine, zunächst provisorische, 
Centralbehörde sein könne, leider habe die darüber mit Preußen 
gepflogene Unterhandlung zu keinem Einvernehmen geführt; 
mithin bleibe nach aller Wahrscheinlichkeit nichts übrig, als 
ein Congreß aller deutschen Staaten zur gemeinsamen Ein- 
setzung einer neuen Centralgewalt, und Osterreich, nach der 
Bundesacte von 1815 mit dem Präsidium des Bundestags 
betraut, sei zunächst berufen, einen solchen Congreß zu ver- 
anlassen. Was die Autorität des Congresses betraf, so fügte 
der Minister die Bemerkung hinzu, wer dort nicht erscheine, 
würde damit auf sein Stimmrecht verzichten, aber selbst- 
verständlich den Beschlüssen des Congresses unterworfen 
bleiben. Immerhin hatte der Fürst auch jetzt noch nicht die 
Entschließung zum Bruche mit Preußen gefaßt. Noch war 
die von dem Könige einzuhaltende Bahn nicht bekannt, und 
Schwarzenberg's bisherige Freunde machten nicht überall 
erfreuliche Mittheilungen. Der russische Kaiser erklärte den
	        
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