Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Österreichs Antrag auf Herstellung des Bundestags. 367 
scharfem Gegensatz zu den preußischen Anschauungen alle 
deutschen Regierungen im Namen der Präsidialmacht des 
deutschen Bundes einlud, zum 10. Mai Bevollmächtigte nach 
Frankfurt zu senden, um dort zunächst eine neue provisorische 
Centralgewalt zu bilden, und dann zu einer Revision der 
Bundesverfassung in Gemäßheit der Bundesacte und der 
Wiener Schlußacte zu schreiten. Osterreich denke dabei nicht 
an einfache Rückkehr zu den alten Zuständen, sondern werde 
Alles thun, um zu einer zeitgemäßen Reform derselben zu 
gelangen. Die Pflicht aller Bundesglieder, sich an einer 
solchen Berathung zu betheiligen, stehe fest, und sei auch von 
Preußen, namentlich durch die Erklärung des Regierungs- 
commissars (Radowitz) am 24. October in der zweiten Kammer, 
ausdrücklich und wiederholt anerkannt. Wer hienach seine 
Theilnahme an dem großen Werke verweigerte, würde damit 
seinen Austritt aus dem Bunde erklären; eine solche Absicht 
aber widerstreite dem Artikel 5 der Wiener Schlußacte, so 
daß die Nichterfüllung der oben ausgeführten Pflichten ohne 
Verletzung der angelobten Bundestreue nicht denkbar wäre. 
Formell kamen in diesem Actenstücke die Worte „Her- 
stellung des Bundestags" nicht vor, thatsächlich aber waren sie 
durch den Inhalt jedes Satzes gegeben. Was die ganze 
Nationalversammlung mit Ausnahme Robert Blum's und 
seiner Genossen für unmöglich und unglaublich erklärt hatte, 
hier war es geschehen. Dieselbe österreichische Regierung, 
welche die Annahme der Reichsverweserschaft auf Grund des 
die Vernichtung des Bundestags erklärenden Gesetzes vom 
28. Juni 1848 öffentlich und feierlich ausgesprochen hatte, 
lud jetzt in der unbefangensten Weise zur Wiederaufnahme 
der für eine Weile vertagten Sitzungen des verrnichteten
	        
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