Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Kaiser Nikolaus. 385 
Union angreife, erwarte er, daß Rußland neutral bleibe; 
sollte aber Rußland sich trotzdem mit Osterreich verbinden, 
so verkenne er nicht die großen Gefahren, die daraus für 
Preußen entständen, aber wenn er dann unterläge, so könnte 
er doch voller Vertrauen seine reine Sache dem Urtheil der 
Geschichte anheim geben. 
Dem Prinzen von Preußen wurden dann noch mehrere 
Denkschriften über die deutschen Streitfragen mitgegeben, und 
zugleich die Krieg drohende Haltung Osterreichs und der 
Mittelstaaten hervorgehoben. 
Leider waren die Aussichten für den hohen Unterhändler 
keineswegs gläuzend. 
Kaiser Nikolaus, ein Mann von klarem, aber engem 
Geiste, von lebhaften Affecten und eiserner Willenskraft, war 
damals durch eine lange Reihe großer Erfolge mit einem 
gewaltigen, sowohl persönlichen als nationalen Selbstbewußt- 
sein erfüllt. Seit den revolutionären Erschütterungen von 
1848 betrachtete er sich und sein heiliges Rußland als Hort 
der monarchischen Ordnung in ganz Europa, und demgemäß 
auch berufen, in jedem Staate des Welttheils, wohin seine 
Hand reichen mochte, für die erhabene Sache thätig einzugreifen. 
In seinen Augen gab es keinen Unterschied zwischen liberal 
und radical, zwischen constitutionell und republikanisch: Alles, 
was von der absoluten Monarchie abwich, war für ihn gleich- 
mäßig ein Erzeugniß der revolutionären Pest. Obgleich seit 
früher Jugend in warmer Sympathie für das preußische 
Königshaus aufgewachsen und vom Beginne seiner Regierung 
an mit entschiedener Abneigung gegen Osterreich erfüllt, hatte 
ihm dessen Todeskampf gegen die italienische und ungarische 
Revolution lebhafte Anerkennung abgenöthigt und ihn zu 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. I. 25
	        
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