402 Die Krisis. 1850
dieselbe; nun wohl, so gebe er dem Grafen Thun Befehl zu
weiterem Vorschreiten. Noch an demselben Tage ging eine
Circularnote an alle deutschen Höfe ab, worin die Absicht
angekündigt war, in Frankfurt das handelnde Organ des
Bundestags, den engern Rath, sich constituiren zu lassen.
So stand Ehrenpunkt gegen Ehrenpunkt. Auf welcher
Seite verlohnte der Gegenstand des Streits, zur Ehrensache
des Staats erhoben zu werden?
In Osterreich gab es darüber nur eine Stimme. Daß
Osterreich den herrschenden Einfluß in Deutschland besitze,
gleichviel wie Deutschland dabei fahre, galt für ein durch
die Jahrhunderte sanctionirtes Recht und zugleich für das
wichtigste Machtinteresse der Monarchie. Dieser Glaube war
irrig, aber wie es nach der ganzen Vergangenheit nicht anders
sein konnte, damals unbestritten in Wien; dieses Recht zu
behaupten, war man zum schwersten Kampfe bereit, und er-
achtete für einen so hohen Zweck auch das faule Mittel der
Erneuerung des Bundestags nicht zu schlecht.
Ganz anders lag die Sache für Preußen. Hier handelte
es sich nicht um die Vertheidigung eines alten Rechts, sondern
um die Erstrebung einer bessern Zukunft für Deutschland.
Nichts wäre rühmlicher gewesen, als das Gelingen der hier-
auf gerichteten Schritte. Unmöglich aber war es, sich damals
den völligen Mißerfolg des Dreikönigsbündnisses und der
daraus hervorgegangenen Union zu verbergen. Fast alle etwas
mächtigeren Genossen waren abgefallen, eine erhebliche Anzahl
der übrigen völlig schwankend und unzuverlässig. Eine in
rechtlicher Geltung bestehende Verfassung hatte die Union nach
Jahresfrist nicht gewonnen. Die am 26. Mai vorgeschlagene
war zwar vom Parlamente angenommen, dann aber von