Correspondenz zwischen Bismarck und Rechberg. 403
rität der Kleinstaaten dirigirt werden soll, ist schlimmer als
keiner, und wenn ich die Wahl zwischen der Unterwerfung
unter solche Ansprüche und der offenen Feindschaft der Mittel-
staaten haben soll, so ziehe ich die letztere vor. Über das
Bedürfniß der „Selbsterhaltung“ ging die Beust'sche Politik
weit hinaus; sie war die der Herrschsucht. Die bundesmäßige
Unabhängigkeit unserer Nachbarn gefährden wir nicht: aber
unsere eigene können wir dem mitttelstaatlichen Ehrgeiz nicht
Preis geben. Wenn wir Vorgänge wie die Escamotage,
deren Opfer Preußen und Osterreich in der Executions-=
sache in Holstein wurden, öfter geschehen lassen, so gewöhnen
wir die Mittelstaaten an Allüren, mit denen wir auf die
Dauer nicht auskommen; soll plötzlich der Zügel straffer
angezogen werden, so heißt es, daß wir sie vergewaltigen,
und sie drohen darauf mit Rheinbund; fürchten wir
diese Drohung, so wird sie gefährlich und schließlich auch
ausgeführt; fürchten wir sie nicht und lassen sie das fühlen,
so wird sie nicht einmal ausgesprochen werden. Wir hatten
uns in Schönbrunn die Aufgabe gestellt, gemeinsam die
deutsche Politik zu leiten. Das können wir nur, wenn
wir die übrigen Bundesglieder jeder Zeit daran gewöhnen,
daß Preußen und Osterreich gegen Ausschreitungen, wie die
gesammte Executionspolitik in Holstein bis zum Telegraphen-
vertrag eine war, vereint und mit activer Entschiedenheit
auftreten. Deshalb braucht kein deutscher Fürst für seine
Unabhängigkeit besorgt zu sein, oder auch nur auf die Be-
theiligung an gemeinsamen Entschließungen zu verzichten, zu
der er nach dem Maaße seiner Kräfte berufen ist. Die
Thorheit der bisher leitend gewesenen Bundesglieder zeigt
sich m. E. am deutlichsten darin, daß ihnen be. Einigkeit