420 Die Krisis. 1850
Bundestagsgesandtschaft das weitere Verfahren festzustellen.
Am 17. brachte er bereits den betreffenden Antrag an den
Bundestag, und schon am 21. faßte dieser den Beschluß,
die kurhessische Regierung aufzufordern, daß sie über die
Mittel, die sie zur Bändigung des Aufruhrs ergriffen habe,
schleunigst berichte. Es war der Prolog zur bewaffneten
Bundesexecution. Zunächst verschärfte Hassenpflug den Be-
lagerungsstand und erweiterte die Vollmacht der Militär-
behörde zum Einschreiten gegen jeden renitenten Steuerpflichtigen
und jede widerstrebende Verwaltungs= oder Gerichtsbehörde.
Aber auch die Officiere, welche sämmtlich die Verfassung be-
schworen hatten, begannen bedenklich zu werden, und als ihr
Commandeur ihnen das grobe Wort zurief, wer seinem Kriegs-
herrn die Treue nicht halten wolle, möge seinen Abschied
nehmen: da baten nach 24 Stunden neun Zehntel des Officier-
corps um ihre Entlassung. Dem Kurfürsten war die Waffe
in der Hand zerbrochen; seinem Minister aber war die Kata-
strophe genehm: denn jetzt würde der Bundestag das Einrücken
fremder Executionstruppen verfügen, und mit deren Hülfe
mochte dann die militärische Besserung Kurhessens sich in
doppelter Gründlichkeit vollziehen.
Die schnelle Entwicklung dieser Ereignisse konnte nicht
umhin, in Berlin den tiefsten Eindruck zu machen. Der durch
den passiven Widerspruch Preußens bisher zur Apathie ver-
urtheilte Bundestag begann jetzt eine drohende Thätigkeit
auf einem Gebiete, welches nach seiner geographischen Lage
nicht bloß für die Union, sondern für Preußens politische
Existenz selbst von größter Wichtigkeit war. Die Union war
durch den Abfall der beiden Hessen, welchem zu folgen, Nassau
die größte Lust zeigte, zerstückelt. Preußen hatte die räumliche