422 Die Krisis. 1850
gericht. In Berlin leitete jetzt Graf Brandenburg interimistisch
die auswärtigen Angelegenheiten, da Herr von Schleinitz, sehr
bereit, in Friedenszeiten polemische Noten nach Wien zu senden,
aber stets entschlossen, bei einem Bruche mit Osterreich sich
der Mitwirkung zu entziehen, bei der jetzt drohenden Con-
junctur Urlaub genommen hatte. Graf Brandenburg, wie
immer gemäßigt und gerecht, erließ am 12. September eine
Depesche an die hessische Regierung, worin er die Unterlassung
der Budgetvorlage bedauerte, und die Herstellung der Ordnung.
durch schiedsrichterlichen Spruch beantragte. Hassenpflug
wüthete, als ihm der preußische Gesandte diese Depesche vor-
las, und hatte die Stirn zu der Behauptung, er habe gar
keinen Streit mit den Ständen, sondern nur mit rebellischen
Beamten und Officieren. Aber auch der König wollte von
einer weitern Verfolgung dieses Weges nichts wissen. Was
ihn bei der Sache kränkte, war nicht der in Frankfurt be-
absichtigte Umsturz der hessischen Verfassung. Im Gegentheil,
er fand ganz wie Fürst Schwarzenberg die einmüthige Auf-
lehnung der Officiere, der Beamten und der Bevölkerung
gegen den Willen ihres Landesherrn abscheulich, scheußlich,
als Beispiel höchst gefährlich, und theilte Manteuffel's Ansicht,
daß, wenn dies in Kurhessen verfassungsmäßig wäre, Hassen-
pflug nicht Unrecht hätte, eine solche Verfassung einer gründ-
lichen Revision zu unterziehen. Er befahl also auf das Be-
stimmteste, daß bei der weitern Verhandlung jedes Urtheil
über den hessischen Verfassungsstreit vermieden würde. Ebenso
wenig sollte auf das Bündniß vom 26. Mai Bezug genommen
werden. Ein für alle Male wollte der König darin nur freiwillige
Genossen haben; Kurhessen dürfe nicht gezwungen werden, sich den
Vorschriften des Bündnißvertrags wider Willen zu unterwerfen.