Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

Innerer Gegensatz zwischen Preußen und Osterreich. 37 
Napoleon's. Aber so gewiß das Ziel der preußischen Politik 
die Schöpfung eines geeinten deutschen Reiches sein mußte, 
ebenso entschieden meinte Osterreich sein Lebensinteresse in 
dem Schutze der deutschen Zersplitterung zu finden. 
In der That, wer im Frühling 1813 aus dem preußi- 
schen Hauptquartier nach Wien kam, mochte sich in eine 
andere Welt versetzt glauben. Auch Osterreich hatte durch 
Napoleon schwere Verluste erlitten, immer aber war es eine 
im Innern unabhängige Großmacht geblieben, hatte keine 
französischen Garnisonen in seinen Landen und hatte neuerlich 
eine Erzherzogin den französischen Thron besteigen sehen. 
So erschien nach vier schweren Kriegen der Friede leidlich 
befestigt, und alles Volk streckte sich in der beqguemen Ruhe 
und scheute vor dem Bilde neues Haders zurück. Man liebte 
zwar den bösen Bonaparte nicht, aber von dem brennenden 
Haß und der grimmigen Kampflust, welche jedes preußische 
Herz erfüllte, war hier sehr wenig zu spüren. Allerdings 
gedachte auch das Wiener Cabinet jeden Anlaß zur Ein- 
schränkung der französischen Übermacht zu benutzen: aber 
was in Berlin die Summe alles Dichtens und Trachtens 
war, die Befreiung Deutschlands vom fremden Joche, erschten 
in Wien nur als ein einzelnes politisches Moment, und ganz 
sicher nicht als das erste, wichtigste, drängendste. Dies ergab 
sich für Osterreich mit zwingender Nothwendigkeit aus der 
geographischen Lage seiner Provinzen, der innern Organisation 
seiner Monarchie, den alten Überlieferungen seines Herrscher- 
hauses. In dem schweren Drucke der napoleonischen Gewalt 
sah die Wiener Regierung ein vorübergehendes Bedrängniß, 
das sie baldigst abzuschütteln wünschte, dann aber ein bleibendes 
gutes Verhältniß mit Frankreich für äußerst vortheilhaft und
	        
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