Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

38 Stellung Österreichs im Befreiungskriege. 
bei richtigem Verfahren für leicht erreichbar hielt. Viel 
schwerer für alle Zukunft erschien ihr die Sorge vor dem 
Wachsthum der russischen Macht, welche durch ihr Vorgehen 
gegen die Türkei Ungarn von drei Seiten her zu umfassen 
drohte. Von allen positiven Wünschen aber lag ihr bei dem 
katholischen Charakter der Monarchie keiner mehr am Herzen 
als die Herstellung der österreichischen Herrschaft über Italien 
und damit des entscheidenden Einflusses im Vatican. Im 
Vergleich mit diesen Lebensfragen trat die deutsche Sache 
weit zurück, in dieser hatte man eigentlich nur negative Be- 
gehren zu stellen. Was die gebildeten Classen in Preußen, 
schrieb Metternich, „deutschen Sinn“ nennen, ist bei uns ein 
Mythus geworden. Freilich, Deutschland sollte nicht fran- 
zösisch bleiben; das verstand sich, und man war deshalb 
bereit, auf vortheilhafte Bedingungen dem preußisch-russischen 
Bündniß beizutreten. Würde dann der Kampf gelingen, so 
würde man, wie es dem stolzen Kaiserhause geziemte, den 
leitenden Einfluß bei den deutschen Höfen in Anspruch nehmen, 
aber niemals sich so tief mit den deutschen Angelegenheiten 
verflechten, daß man dadurch zur Übernahme gefährlicher 
Pflichten genöthigt oder einer deutschen Einwirkung auf Öster= 
reich ausgesetzt werden könnte. Damit waren von selbst die 
beiden Sätze gegeben: es darf von einem deutschen Reiche 
keine Rede sein; Deutschland darf nicht unter preußische 
Führung gerathen. 
Die Antipathie gegen Preußen war bekanntlich nichts 
Neues in Wien; damals aber war sie m hohem Maaße durch 
die von Stein angeregte innere Politik des preußischen Staats 
geschärft. Seine Forderung, den Staat von unten auf zu 
reformiren, die gesammten Kräfte des Volkes zu politischer
	        
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