Kritik der Bundesacte. 49
Zukunft mit Unfruchtbarkeit geschlagen war. Die von Preußen
und mehreren Kleinstaaten so eifrig beantragten Freiheitsrechte
der Deutschen waren in der Bundesacte auf wenige inhalts-
leere und schlecht definirte Sätze zusammengeschrumpft. Auch
nach dieser Seite hatte die Souveränität der fürstlichen Re-
gierungen möglichst geringe Beschränkung erleiden dürfen.
In jedem Bundesstaate oder Staatenbunde, welcher
stärkere und schwächere Mitglieder vereinigt, wird man den
Kleinern zum Schutze ihrer Selbständigkeit etwas weiteres
Stimmrecht zusichern, als es dem Verhältniß der Macht ent-
spräche. Hier aber war diese Regel durch Übertreibung zum
lächerlichen Zerrbilde geworden. Im gewöhnlichen Geschäfts-
gang führten die eilf größern Staaten je eine Stimme, die
28 kleinern waren in sechs Curien gruppirt, eine jede mit
einer Stimme. Hienach war es denkbar, daß, wenn die
Großherzoge und die übrigen Kleinstaaten einmal zusammen-
hielten, sie den vereinten Widerspruch von Österreich, Preußen
und den andern Königreichen, ein Zehntel gegen neun Zehntel,
überstimmen konnten. So weit wie möglich, lagen innerhalb
dieser Versammlung Berechtigung und Macht auseinander.
Nur für wenige Gegenstände war eine andere Art der Ab-
stimmung vorgesehen. Dann verwandelte sich der engere
Rath, wie die Vereinigung der siebenzehn Stimmen amtlich
genannt wurde, in ein Plenum, in welchem zum Beschlusse
entweder Einstimmigkeit oder eine Mehrheit von zwei Dritteln
erforderlich war, und die sechs größten Staaten, welche zu-
sammen 28 Stimmen unter 70 führten, mithin jeden ihnen
mißliebigen Beschluß verhindern konnten.
Der Geschäftsgang war, wie es bei Verhandlungen
zwischen 39 Regierungen nicht anders sein konnte, äußerst
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches I. 4